Mein Onkel Karli lebte zu einer Zeit, da war – jedenfalls für ihn und seine Generation – das Wort „cool" überhaupt nicht gebräuchlich. Er war der beste Freund meines Vaters. Jahrgang 1925. Gestorben 1997. Alt ist er nicht geworden, mein Onkel Karli, weil ihn der Darmkrebs gnadenlos aus dem Verkehr gezogen hat. Er war mein Firmpate (und auch der meines Bruders). Er war für mich ein richtig guter Freund. Das hat er mir bei der Firmung auch versprochen. Zu meiner Zeit wurde man schon mit 10 Jahren gefirmt (Erst-Kommunion mit 8). Ein totaler Blödsinn, in Anbetracht der komplexen Glaubensinhalte, um die es da geht und wenn man bedenkt, was für ein gewaltiges Abstraktionsvermögen einem 10-Jährigen mit der symbolischen Gestalt einer Taube zugemutet wird. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mein Onkel Karli hat sich als Firmpate nicht lumpen lassen. Weder materiell, noch ideell. Er schenkte mir eine goldene Omega Seamaster, die damals ein Vermögen gekostet hat. Sein Sohn – dessen Firmpate mein Vater war, erhielt natürlich die gleiche Uhr. Und – wie sich das so gehörte, bekam ich auch ein Gebetbuch. Mit Widmung.
Da hat sich Onkel Karli, der sonst konsequent nur Kurrent schrieb, sehr bemüht. Ich glaube, seine wunderbare Frau, die Tante Hilde, die Volksschul-Lehrerin war, hat ihm dabei geholfen. Er schrieb – in braver Heinzelmännchen-Schrift – folgenden Text, an den er sich Zeit seines Lebens ausnahmslos gehalten hat: „Lieber Hannes, es gibt im Leben immer wieder gute Freunde. Als Dein Firmpate möchte ich Dein bester sein.“
Ich weiß, dass Onkel Karli kein Heiliger war. Ich habe beobachtet, dass er als Vater mit seinem Sohn diverse Sträuße gefochten hat. Ich kann mich ganz genau erinnern, dass er und ich politisch weit auseinander lagen. Aber er war mein Freund. Bedingungslos.
Als mein Vater krank wurde, war er zur Stelle. Als ich jemanden brauchte, um meine Sorgen als unfreiwilliges Familienoberhaupt in der Familie, in die ich hineingeboren wurde, zu besprechen, hat er mich zum Essen eingeladen und einfach nur zugehört. Er war in jeder Hinsicht das Gegenteil meines Vaters. Ein Schmähführer. Nie um eine Wuchtel verlegen. Schlagfertig. Unbekümmert gegenüber den Frauen. Status-bewusst, mit einem kleinen Drall ins dicke Auftragen. Zu meiner Promotion hat er mir ein Portemonnaie von Etienne Aigner geschenkt – mit goldener Namensprägung. Ich habe seinen Sohn oft beneidet. Onkel Karli hat ihn zum Sport animiert, mit ihm gespielt. Aber er hat auch enormen Leistungsdruck ausgeübt. Da waren er und Vati sich sehr ähnlich.
Als er an Krebs erkrankte, hat ihn eine Riesen-Angst vorm Sterben geplagt. Ich habe ihm damals einen Brief geschrieben. Und mich für all seine Loyalität bedankt. Und ihn von ganzem Herzen gebeten, noch zu bleiben, weil ich ihn so sehr brauchte. Wir haben noch telefoniert. Er hat sich so sehr über meinen Brief gefreut. Und mit einer mir fremden schwacher Stimme gesagt: „Wir müssen uns bald sehen. Wir müssen reden.“ Dann bin ich mit meiner damaligen Frau und zwei Kindern auf Urlaub in die Toskana gefahren. Am Tag, als er starb, fühlte ich mich krank. Mein ganzer Körper hat mir wehgetan. Am nächsten Tag erreichte mich die Todesnachricht. Onkel Karli, das muss ungefähr um diese Zeit des Jahres gewesen sein. Dieses Denkmal setze ich Dir. In liebevoller Dankbarkeit.
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