Hütchenspieler.

Eine der letzten Markierungen, die der schon sehr kranke Kreisky 1982 gegen Ende seiner Amtszeit gezogen hat, war das sogenannte „Mallorca-Paket“. Der „Alte" hatte den damaligen Finanzminister Salcher zu sich nach Mallorca bestellt und dort ein Paket neuer „Belastungen" geschnürt, um das Budget-Defizit zu reduzieren. Ein großes Aufheulen ging durch die Republik und natürlich haben sich die konservativen Parteien und Medien gar nicht genug echauffieren können, wie gescheitert die gebetsmühlenartig kritisierte „Schuldenpolitik" doch sei. Wieder war vom Miiliardengrab der verstaatlichten Industrie die Rede (in die Kreisky tatsächlich aus Angst vor Zuständen der 30er-Jahre viel Geld gesteckt hatte und so tatsächlich auch dem schlechten Geld noch gutes nachgeworfen hatte.)

Aus heutiger Sicht nehmen sich die Belastungen des Mallorca-Pakets aus wie ein Streichelzoo. Ein paar gestrichene Steuerabschreibungen, ein paar erhöhte Tarife, das war's. Auch der vielunterschätzte Finanzminister Salcher war gegen Heißluftgebläse wie Grasser oder taktische Fehlbesetzungen wie zum Beispiel Spindelegger, Fechter, Molterer ein Quell der hochgradigen Seriosität. 

Die roten Kanzler hatten leider auch echte Zumutungen auf Lager. Kreisky mit seiner Schmerzlosigkeit gegenüber alten Nazis, der arme Sinovatz mit der verordneten Ehe mit der FPÖ und dem notorischen Aufflackern von deren NAZI-Genetik. Faymann als echtes intellektuelles Notstandsgebiet und Sprengmeister an den Grundfesten der Ideologie.

Aber was uns jetzt geboten wird, ist ein solcher Skandal an politischer Niedertracht, dass einem die Spucke wegbleibt. Nun sind echte Trickbetrüger an den Schaltstellen. Und der schlimmste Untergriff an allem, was die Demokratie gut und wertvoll macht, ist der planmäßige Einsatz von im Grunde erbärmlichen Hütchenspieler-Tricks. Während der Masterplan einer grundlegenden Umwandlung der liberalen pluralistischen nach Westen orientierten Demokratie in eine populistisch getriebene illiberale Massenmanipulation im Sold von Industrie und Konzernen mit zutiefst nationalistischen Giftkörpern Schritt für Schritt umgesetzt wird, passiert eine Serie von Ablenkungen, die so widerlich ist, weil sie eine chronische Beleidigung bereits durchschnittlichen Intellekts darstellt. Tempo 140 auf 20 km Autobahn. Abschaffung türkisch-sprachiger Führerschein-Prüfungen (betrifft genau 1% aller Kandidaten, befriedigt aber 100% aller Chauvinisten). Dramatisierung von Familienbeihilfs-Exzessen (3000 Euro pro Monat für exakt 10 Familien), während der Plan der gesetzeswidrigen Reduktion der Beihilfen für ausländische Sozialarbeiterinnen weiter verfolgt wird. 150 Euro reichen lt. Sozialministerin im Monat zum Leben. Da möchte man ihr den Betrag in kleinen Münzen durch alle Körperöffnungen zuführen. 

Sie und die völlig entmenschten Spießgesellen ihrer Partei ruinieren den letzten Glaubensrest an politischen Anstand. Das fast schon zur Normalität verkommene Rowdytum des politischen Wirtshaus-Schlägers Vilimsky, die gezielten Provokationen des Herrn Waldhäusl – All das wird achselzuckend hingenommen und vom Kanzler kaputtgeschwiegen. Ab und zu wacht der Bundespräsident auf und stellt fest, was für einen politischen Perchtenlauf er  da angelobt hat.

Man kann mit freiem Auge sehen, wohin das alles führen wird. Entsolidarisierung, Hochrüsten von Feindbildern, Nationalismus, Brain-Drain, Ellenbogen und Faustrecht. Und Schritt für Schritt werden die feinen Geflechte einer solidarischen Gesellschaft durchtrennt, bis nicht die ohnehin kaum existierenden „sozialen Hängematten" reißen, sondern das ganze soziale Netz. Und dann sind wir schnurstracks wieder unterwegs in eine Situation, wie sie der protestantische Pastor Niemöller in den 30ern so eindrücklich beschrieben hat. 

„Als die Nazis die Kommunisten holten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,

habe ich nicht protestiert;

ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie die Juden holten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten,

gab es keinen mehr, der protestierte.“

Und die Sozialdemokratie plus ÖGB und AK werden nix reißen, solange die Trillerpfeife alles ist, was an argumentativen Muskeln aufzubieten ist. Mir hat das Herz wehgetan, wie ich die Tausenden Demonstranten durch Wien ziehen gesehen habe. Ich bin sicher, so wird niemand nachdenklich und nichts bewegt. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir radikale Kampfmaßnahmen gekoppelt mit einem Feuerwerk an Gegen-Ideen zu einem katastrophalen Spin in die ultimative Niedertracht.


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Kommentare: 1
  • #1

    Brigitte (Samstag, 28 Juli 2018 01:04)

    Es ist zum Verzweifeln und zum Fürchten! Ich muss schön langsam aufpassen, dass ich keine Panikattaken bekomme, da meine Hoffnung auf einen kräftigen, wirksamen Gegenwind auf Null gesunken ist.
    Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass eine gewisse Niedertracht in vielen Wohnzimmern Platz genommen hat, und den Bewohnern fällt nicht auf, wie diese hässliche Erscheinung ihr ganzes Leben vergiftet.
    Es ist traurig, erschreckend, und macht mich wütend.