Drei Triangel-Schläge.

Zu meinem großen Glück darf ich den weltberühmten Organisten und Dirigenten Martin Haselböck zu meinen Freunden zählen. In meinen letzten Werberjahren hat er mir ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk gemacht. Exakt an meinem Geburtstag brachte er mit seinem Orchester „Wiener Akademie“ im Wiener Musikverein ein Stück zur Aufführung, an dessen Ende drei Triangel-Schläge gespielt werden müssen. Und ich durfte diese drei Schläge ausführen. Ich erhielt einen eigenen Musikervertrag und Probentermine und sollte während der gesamten Aufführung im Frack dezent als Teil des Orchesters auf meinen entscheidenden Augenblick warten. Enorme Freude, große Aufregung, vibrierendes Glück. 

Wenige Tage vor dem großen Abend meldet sich aus New York ein Erbsenzähler der Holding. Er hätte festgestellt, dass wir bezogen auf die Zahl der Nasen zu viele Quadratmeter im Agenturbüro verbrauchen. Gähn! Das war genau der Vierte in zwei Jahren mit dieser himmelstürmenden Erkenntnis. Bei den anderen Dreien war es mir gelungen, mit Verweis auf die besonders niedrige Miete den Blutdurst zu stillen. Nicht bei diesem Korinthenkacker. Er wollte einen Lokalaugenschein. Datum: Der Abend meines Triangel-Auftritts. 

Schwersten Herzens rief ich meinen Freund Martin an und musste auf sein Geschenk verzichten. Grummelnd saß ich an besagtem Abend in meinem Büro und wartete auf den New Yorker Excel-Akrobaten. Dann ein Anruf: Very sorry, er hätte den Flug versäumt und würde nun leider nicht kommen. Gäbe es meinen damaligen Schreibtisch noch, man würde die Biss-Spuren immer noch sehen, die ich in der Tischplatte hinterlassen hatte. Schnitt.

Vor zwei Tagen saß ich mit einem meiner liebsten Freunde zusammen, den eine kleine Sinn- und Werte-Krise plagt und ich erzählte ihm die Triangel-Geschichte mit dem Zusatz, dass ich für keinen Erbsenzähler der Welt jemals wieder auf eine solche Freude verzichten würde. Und wir erkannten, dass es eine sehr lustvolle Übung sein könnte, herauszufinden, was die drei Triangel-Schläge im Leben jedes Menschen sein könnten. „Drei Triangel-Schläge“, die man gegen nichts anderes eintauschen würde.


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Kommentare: 1
  • #1

    Erika (Samstag, 11 August 2018 15:41)

    Die Philosophie dieser Geschichte veranlasst einem, in eine persönliche Klausur zu gehen.