Mein türkiser Freund.

Vor fast auf den Tag genau sieben Jahren sind wir uns zum ersten Mal begegnet. 

Er war und ist ein Top-Manager in einem sehr wettbewerbsorientierten Umfeld. 

Von Anfang an waren wir uns in der Substanz sympathisch. Wir wussten sehr schnell, wo wir "politisch" stehen. Er war - und ich glaube, er ist es noch immer - das, was man einen "compassionate conservative" nennt. Ehrbare, nachvollziehbare, wirtschaftsfreundliche Ansichten gekoppelt mit einem ehrlichen Gefühl für Menschen und deren wertschätzende Behandlung. Vielleicht auch daher rührend, dass er eben nicht als wohlbestallter "Erbe" geboren wurde, sondern sich seinen heutigen Wohlstand ausschließlich durch eigene Leistung erarbeitet hat. Meine Geschichte ist ein bisschen anders verlaufen. So wie mein Freund in eine christlich-soziale Familie geboren, bewegte sich mein ideologischer Schwerpunkt kontinuierlich nach links. Mit durchaus markanten wirtschaftsnahen Schlagadern. Was meinen Freund und mich immer einte: Eine substanzielle Abneigung gegen schlichte Gemüter in der Politik - Faymann empfanden wir beide als nicht satisfaktionsfähig in seiner Position. Und eine resolute Aversion gegen alles Faschistische. 

In den ersten Jahren haben wir uns - beruflich bedingt - häufig gesehen und bald wurde eine tiefe, vertrauensvolle Freundschaft aus dieser Beziehung. Mein Freund war mit seiner Frau auf meiner Hochzeit und bis heute halten meine Frau und ich ihr sehr persönliches Geschenk in Ehren. Ich spüre heute noch seine freudigen Blicke in meinem Rücken, als er sich am Standesamt an meine Beziehungs-Irrungen erinnerte und froh war, dass dieser dauernde Herd an Kalamitäten aus meinem Leben verschwunden war. Ich vertraue ihm blind. Als ich einmal sehr große Sorgen hatte, habe ich ihn angerufen und gesagt: "Ich glaube, ich könnte jetzt einen Freund gebrauchen." Und er hat sich sofort Zeit für mich genommen. Wenn einem von uns beiden etwas gelingt, freut sich der andere so, als wäre es der eigene Erfolg.

Im letzten Wahlkampf wurden wir auf eine harte Probe gestellt. Unser beider Wunsch nach Veränderung driftete in verschiedene, polare Richtungen. Ich hatte gehofft, Kern würde es schaffen, er setzte auf Kurz.

Das wunderte mich. Sehr. In seinem beruflichen Einflussbereich hätte mein Freund niemals Menschen mit einer so diffusen Persönlichkeit eingestellt. 

Das weiß ich, weil seine Mitarbeiter ausnahmslos menschlich und fachlich hervorragend gebildete Menschen sind. 

Aber offensichtlich waren und sind meinem konservativen Freund, der immer türkiser würde, einige Kollateralschäden akzeptabler geworden, Hauptsache, "Reformen" finden statt. Auch um den Preis von Faschisten in der Regierung. Auch um den Preis, dass die von ihm ersehnten Reformen holpern und jene schädigen, für die sie angeblich gesetzt werden. Darunter leidet nun unsere Freundschaft. Sehr. Wenn wir uns treffen, versuche ich gleich zu Beginn, das Thema "Politik" auszugrenzen. Manchmal klappt es, oft auch nicht. Mein Freund möchte mich so gerne davon überzeugen, dass das, was gerade geschieht, doch gut ist für alle. Und ich will nicht davon abrücken, dass es nur für wenige gut ist - auf Kosten von ganz Vielen. 

Seit dem Kickl-Skandal herrscht Stille. Ich konnte mich nicht einbremsen und habe ihm Kommentare geschickt. Aus Zeitungen, die ganz sicher keine linkslinken Zecken sind. 

Ich weiß, dass ihm der Angriff der Faschisten auf den Rechtsstaat zuwider ist. Aber genauso zuwider ist ihm die Einsicht, dass es eben Faschisten sind, mit denen sich der Kanzler seine Mehrheit absichert. 

Und unsere Diskussionen werden härter. 

Wir bemühen uns. Mein konservativer - jetzt türkiser - Freund und ich.