Am 6.7.2013 sind sie mir zum ersten Mal begegnet.
Mama ist am 12.11.2014 gestorben.
Papa am 1.5.2015.
Zwischen diesen Datumsangaben liegt ein Wunder. Als Gabi und ich uns kennenlernten,
wurde schon am ersten Tag die Besonderheit unserer Beziehung deutlich. Gabis Mama und
mein Vater stammten aus dem gleichen Ort im Sudetenland. Wir hätten uns aber ohne die
digitale Nachhilfe von Parship wohl nie kennengelernt. Als ich bei der „eisernen Hochzeit“ (65 Jahre Ehe) von Gabis Eltern diese beiden großartigen Menschen kennenlernte, war sofort eine
Herzensverbindung geschlossen. Wir haben uns gegenseitig adoptiert. Wie mit einem warmenRegen haben die beiden mich mit Liebe, Freude, Freundschaft und prickelnden intellektuellen Funken
überrascht und aus mir alles hervorgeholt, was ich 56 Jahre lang nicht losgeworden war. Als ich Mama ein Kapitel meines werdenden Buchs vorlas, in dem es um die Trennung von meiner Ex-Frau ging,
hat sie ganz aufmerksam zugehört, dann meine Hand in ihre genommen und gesagt: „Jetzt weiß ich nicht, zu wem ich halten soll!“
Das war genau die Form kritischer Solidarität, nach der ich so lange gesucht hatte. Bei unserer Hochzeit saß sie im Rollstuhl und hat 120 Leute mit ihrer unbeugsam vorgetragenen Geschichte in den
Bann gezogen. Als sie zu mir gewandt sagte „Du hast mir meine Heimat wiedergebracht.“ sind einigen die Tränen waagrecht aus den Augen gespritzt.
Vor vier Jahren ist sie zuhause gestürzt, musste ins Krankenhaus und hat sich dort eine Lungenentzündung geholt. Bei unserem letzten Zusammensein im Spital saß sie heiter aufrecht im Bett und
ihre Schulter schaute fürwitzig aus dem Nachthemd.
Da konnte ich nicht anders und habe sie auf die Schulter geküsst.
Papa stand dabei und hat gelacht. Er hatte zu dieser Zeit schon zwei Umleitungen in seinemBauch, weil er an Pankreas-Krebs erkrankt war. Wir alle hatten befürchtet, dass er vor Mamagehen muss,
und dann ist sie zuerst gegangen. Am Abend vor ihrem Tod hat sie sich vonihren Kindern verabschiedet und alle getröstet. „Mir geht es wirklich gut!“
Papa war aufrecht in diesem Sturm und ich habe ihn unendlich bewundert. Er hatte es
geschafft, die Herz-Hirn-Schranke zu überwinden. Er war ein Menschenfänger der
Extraklasse. Betrat einen Raum mit wildfremden Leuten und nach spätestens 30 Minuten hatte er eine Runde von Adoranten um sich versammelt. Als ich Anfang 2015 ein
spannendes berufliches Thema zu lösen hatte, war er mein Sparrings-Partner. Was für ein Geschenk! Er hat sein Leben lang nach der Welterklärung gesucht und dabei viele vieleSeiten unendlicher
Klugheit vollgeschrieben. Ich sehe ihn noch im Krankenhaus sitzen,während er handschriftliche Notizen katalogisierte.
Im März war unübersehbar, dass er den Kampf verlieren würde.
Und dieser Einsicht hat er sich mit allergrößter Würde gefügt. In seinen letzten Stunden war er von all seinen Liebsten umgeben. Noch am Vortag hatte er seine Enkelinnen mit Charmeumgarnt, ihnen
Handküsse zum Abschied gegeben und gesagt: „Schön war es mit Euch!“ Als Gabi und ich an seinem letzten Tag morgens zu ihm kamen, hat er uns dringend angeschaut und nur ein Wort gesagt: „Genug!“
Drei mal. Wir haben die Botschaft verstanden. Und sein Arzt ebenfalls.
Augenblicke vor seinem letzten Atemzug hat er gelächelt. So, als hätte ihm der liebe Gott am Ende doch noch recht gegeben und er durfte diesen Triumph nun bis zur Neige auskosten.