Vor ca. acht bis zehn Jahren haben sich in meinem Leben einige durchaus dramatische Änderungen abgespielt. Meine damalige Ehe war unheilbar müde geworden, in meinem Job regierte die Sorge, ob ich in der Wirtschaftskrise überleben könnte, meine Kinder waren in Unruhe und in mir tobten die widersprüchlichsten Interessen - so, als würde ich (endlich) die Pubertät durchleben, die ich im dafür vorgesehenen Alter übersprungen hatte.
Ich lebte allein und irgendwann überwand ich die angezogene Handbremse der Einsamkeit und begann, mich wieder für Beziehungen zu öffnen. In mir breitete sich ein (neues) Mantra aus: Es ist allerhöchste Zeit, Neues zu lernen, offen zu sein für andere Lebenskonzepte, Haltungen und Muster. Da müsste doch sicher etwas dabei sein, mit dem ich meine eingefahrenen, rostigen Schienen wieder neu orientieren könnte.
Das Schicksal bot mir großzügig Betätigungsfelder für diese Absichten.
Ich lernte eine kluge, schöne, sensible Frau kennen. Wir stürzten uns in den Le-Mans-Start einer ansatzlos intensiven Zweisamkeit. Ganz vieles war anders, neu und teilweise sehr fremd für mich. Wie sie lebte, wie sie kochte, wie sie tanzte, sich kleidete.
Welche Musik sie mochte - sogar zu meiner Leidenschaft "Jazz" hatte sie einen für mich ganz ungewohnten Zugang.
Dann passierte eines Sonntags das:
Ein befreundeter Mann aus dem Nachbarhaus betrat das Haus meiner Freundin, schnappte sich den Schlüssel ihres Autos vom Schlüssel-Board, stieg in ihr Auto und fuhr davon. Ich berichtete ihr von meiner Beobachtung, sie lächelte und meinte, das wäre in ihrer Nachbarschaft ganz normal. Er würde ihr Auto schon wieder zurückbringen.
Da war ich sehr froh, dass ich meinen Autoschlüssel in meiner Jackentasche aufbewahrt hatte ...
Ein paar Wochen später begann ich, depressiv zu werden. Bis ich merkte, dass ich nicht mehr ich selber war und mich nicht mehr ausreichend grade halten konnte.
Langsam, mühsam und schmerzhaft gelang es mir, einen Unterschied zwischen überwindungsbedürftigen alten Mustern und unpassenden neuen "Angeboten" zumindest zu erkennen. Bis zur Anwendbarkeit dieser Erkenntnis vergingen noch ein paar Wochen und dann war ich wieder allein. Habe mich vor mir selbst geschämt, wie mir das alles passieren konnte und mich langsam wieder auf einen neuen Weg zu mir selbst gemacht.
Change kann großartig sein. Lernen ist der Erwerb neuer Fähigkeiten. Und wunderbar.
Wenn all das auf Kosten der eigenen Authentizität geht, wird es (lebens)gefährlich.