Die Ich-Botschaft.

Bei einer Ich-Botschaft werfe ich der anderen Person nicht vor, was sie TUT, sondern ich beschreibe, wie das, was sie tut, auf mich WIRKT.

Und dabei bediene ich mich einer sehr einfachen Formel:

Ich starte mit „Ich bin …“ und hänge ein Adjektiv dran, das meine Gemütsverfassung in der aktuellen Situation am treffendsten beschreibt. So, wie man ein virtuelles Mikrofon an den Bauch hält und eine Direktübertragung durchführt über das, was sich dort grade abspielt. 

Bei der Wahl des Adjektivs darf man gerne Vollgas geben, denn das Besondere an der Ich-Botschaft ist ja eben, dass ich mit ihr auf meinem eigenen Feld bleibe und keine Bomben auf das Feld des anderen Menschen werfe. Beispiele:

„Ich bin sauer.“ 

„Ich bin wütend.“

„Ich bin fassungslos.“

„Ich bin unzufrieden.“

Bei einem speziellen Adjektiv habe ich gelernt, dass es einen dramatischen Unterschied zwischen meinen deutschen und den österreichischen Kunden gibt. 

„Ich bin enttäuscht“ ist für viele meiner deutschen Kunden nicht anwendbar, weil es für sie eine solche dramatische Größe hat, dass sich viele nicht getrauen, mit einer derartigen verbalen Granate zu hantieren. Für die meisten österreichischen Kunden gehört „enttäuscht“ zur untersten Kategorie verbaler Eskalation und ist quasi Teil der alltäglichen Wortschatz-Grundausstattung. Einwurf der besten Ehefrau von allen: „Ja, wir sind halt ein bisschen schneller enttäuscht. Dafür ist es dann nicht so schlimm.“

Selbstverständlich funktionieren Ich-Botschaften auch in der positiven Richtung:

„Ich bin begeistert.“

„Ich bin glücklich.“

„Ich bin erleichtert.“

„Ich bin verliebt.“

Bei diesem Adjektiv erntet man für gewöhnlich ein zart gehauchtes „Ja, aber Du kennst mich doch gar nicht!“. Und die Antwort darf gerne lauten: „Macht ja nix. Wenn ich verliebt bin, bin ich verliebt. Das spüre ich einfach so, dafür braucht es keinen Beweis.“

Und genau so wirkt die Ich-Botschaft. 

Sie ist unwiderlegbar. 

Denn niemand auf der großen weiten Welt kann behaupten: 

„Nein, Du bist nicht wütend. (Oder fassungslos, unzufrieden …)“

Und natürlich kann auch niemand bestreiten, wenn ich behaupte „Ich bin glücklich.“ (Oder erleichtert, begeistert …)“

Das Maximum an negativer Reaktion kann in der schlichten Ignoranz der Nachricht bestehen.

Doch auch hier gibt es eine inspirierende Kraftquelle. In seinem Weltbestseller „Der Arschloch-Faktor“ schreibt der Harvard-Professor Robert Sutton, dass es in jedem System einen gesichert vorhandenen Bodensatz von 20% Arschlöchern gibt. 

Bei genau denen funktioniert die Ich-Botschaft erfahrungsgemäß eher nicht. 

Aber bei einer Treffer-Quote von 80% (!) mache ich mir gern die Mühe eines Versuchs, die Wahrscheinlichkeit des Gelingens ist einfach zu ermutigend!

Ich-Botschaften brauchen Übung – grade, weil sie so schlicht anmuten, muss der moderne Mensch erst einmal aus der Komplexität der Algorithmen umsatteln und auf „einfach“ schalten. Manche meiner Kunden haben sich schon auf ein schwieriges Gespräch vorbereitet, indem sie sich auf den Handteller mit Kugelschreiber die Einstiegs-Hilfe „Ich bin + Adj.“ geschrieben haben.

Und trotzdem kommt es immer wieder zu „Unfällen“, die nicht dem mangelnden guten Willen geschuldet sind, sondern einer anfänglichen Unbeholfenheit. 

Deshalb sei hier eine liebevolle „Warnung“ vor zu kreativem Experiment ausgesprochen.

Bitte steigen Sie nicht ein mit „Ich habe das Gefühl, …“, weil die Gefahr sehr groß ist, unabsichtlich in eine Du-Botschaft abzugleiten.

„Ich habe das Gefühl, Du stellt Dich schon wieder genauso holprig an, wie immer!“ ist nichts als eine getarnte Du-Botschaft, die nur formal mit Ich anfängt. 

Mir ist bewusst, dass es viele kluge Trainer und noch mehr kluge Bücher gibt, die ein „Ich habe das Gefühl …“ auch als passenden Einstieg in eine Ich-Botschaft zulassen, möchte aber trotzdem davon abraten, weil die Gefahr des „Falsch-Abbiegens“ einfach zu groß ist. 

Das trifft auch auf alles andere zu, was sich tatsächlich wörtlich genommen „hinter dem Komma“ (des Adjektivs) abspielt. 

Paradebeispiel: Jemand muss zum wiederholten Mal auf einen Kollegen warten, der notorisch zu spät kommt. Und der Wartende greift zu einer beherzten Ich-Botschaft, als der lang vermisste Kollege endlich eintrudelt: „Ich bin stinksauer, weil Du immer zu spät kommst!“

Ein sehr bekannter österreichischer Tanzschul-Besitzer würde da sagen: „There is room for improvement.“

Diese Ich-Botschaft biegt in der begreiflichen Erregung schnurstracks in eine Du-Botschaft ab und dann auch noch mit einer unzulässigen Pauschalierung. 

Wie soll´s denn nun sein?

Wenn man eine formvollendete Ich-Botschaft bauen will, bleibt man konsequent und ausnahmslos bei sich – auf dem eigenen Feld. Im Fall des Zuspätkommenden könnte der Wartende also wie folgt formulieren:

„Ich bin stinksauer. Seit einer Viertelstunde warten wir hier auf Dich. Und wir können nicht anfangen, weil wir Dich bei diesem Thema von Anfang an dabei haben wollen. Und das Allerschlimmste: Nun habe ich selbst eine Viertelstunde Verspätung in meinem Zeitplan und komme selbst zum nächsten Meeting zu spät. Ich hasse das!“

Als letztes Beispiel einer leider misslungenen Ich-Botschaft sei dieses hier mit einem Augenzwinkern angefügt: 

Ich streite nie, ich erkläre nur, warum ich recht habe!