Schreiben.

Heute war wieder einmal so ein besonderer Tag. Ich hatte zwei kleine Geschichten auf Facebook geschrieben und zwei besonders liebenswürdige Echos darauf erhalten.

Ich freue mich jedes Mal so sehr über diese Zeichen! Weil ich für mein Leben gern schreibe.

Ich bin ganz sicher, dass das mit meiner Leidenschaft fürs Lesen zusammenhängt. 

Ab dem Moment, wo ich Buchstaben sinnvoll aneinanderhängend interpretieren konnte, war ich nach ihnen süchtig. Ungezählte Stunden meiner Kindheit und Jugend habe ich lesend verbracht. Bücher hatten mir Fluchtmöglichkeiten aus einem Alltag ermöglicht, den ich so unveränderbar wie er war, auf diese Weise leichter ertragen konnte. 

Bücher waren und sind besonders treue Begleiter. Früher oft, um auszuweichen, heute um einzutauchen. Als großer Freund von Ritualen liebe ich das samstag-vormittägliche Knotzen auf der Couch, wenn mein Schatzi und ich einander gegenübersitzend lesen. In den seltenen Fällen, wo diese Zweisamkeit ausfallen muss, bin ich stundenlang unrund.


In den Zeiten, als ich alleine lebte, las ich ganz besonders viel. Wenn ich dann über Bücher redete, wurde ich oft gefragt: Wann liest Du das alles? Und meine Antwort - nachts - hinterließ einige offene Fragen über mein unausgelastetes Liebesleben.


Nun lese ich nach wie vor - mehr tagsüber :-) - und ich schreibe. Oft auf Reisen, viel auf Flughäfen, in Hotels (so wie jetzt grade), gern auch, wenn mein Schatz bei mir ist (zum spontanen Vorlesen). 

Das Schreiben ist mittlerweile viel mehr, als ein Hobby. Es ist zu einem unentbehrlichen Ventil geworden, durch das ich meine Beobachtungen und gedanklichen Ambitionen schicken kann. Ohne auch nur im Entferntesten anmaßend sein zu wollen: Würde man mir das Schreiben verbieten, hätte es ähnliche Auswirkungen, wie bei dem Gestapo Häftling in Stefan Zweigs "Schachnovelle", dem man das Lesen verboten hatte.


Schreiben. Irgendwie war es immer da. Anfangs auch mit großen Verletzungen verbunden. Als meine Volksschul-Lehrerin mir eine Themenverfehlung auf einen meiner liebsten Aufsätze vorwarf. Als Vati glaubte, ich hätte eine im Gymnasium hochgelobte Kurzgeschichte irgendwo abgeschrieben.


Dann kamen die ersten richtig schönen Feedbacks. Von meinem geliebten Deutsch-Professor, der so streng war, dass mir das Blut in die Füllfeder rann. Großes Lob über einen Aufsatz über Wallenstein. Oder auch die Deutsch-Matura. Beides würde mir heute nicht mehr gelingen.


Dann stolpernde Versuche mit Kurzgeschichten als Student. Oder die Leserbriefe! Einige meiner KollegInnen an der Uni blödelten, dass ein Journalist kein Journalist ist, wenn er von mir noch keinen Leserbrief ausgefasst hatte. Wenn es damals schon Facebook gegeben hätte ...


Der erste "richtige" Job in einer PR-Agentur. 

10 Zeilen à 26 Anschläge für den Bosch Bohrhammer PBH16RE. Oder 20 Zeilen à 28 Anschläge für den Hamburger Royal TS.

Das war es irgendwie nicht so ganz.


Die glanzvollen Jahre in den besten Werbeagenturen Österreichs. Und die Chance, Präsentations-Booklets zu schreiben. Das habe ich mit Leidenschaft getan. Manche dieser geradezu epischen Ergüsse habe ich jahrelang aufbewahrt. 


Dann das Scheitern meiner zweiten Ehe.

Allein leben. Schreiben. Für die Urlaube mit meinen Kindern. In der Toskana. Für jeden Abend eine Lesung mit Brunello-Begleitung.

Eine Idee, die aus meinem neuen Leben als Coach kam: (M)eine zirkuläre Biografie. 

Ein paar Jahre Aufsammeln von Fragmenten. Die ultimative Blockade, als es um die Arbeit an der Geschichte meiner ermüdeten Ehe ging. Dann die Sprengung des Damms beim ersten Toskana-Urlaub, bei dem Gabi dabei war. In einer Wolke kettenrauchend, wie im Akkord schreibend. 

Zu dieser Zeit schon die ersten Miniaturen auf Facebook und einige sehr freundschaftlich lesende Begleiter. Die Frage: Sind die Miniaturen und die Buchkapitel vereinbar? Und mein Sohn gibt mir - auf unserem Terracotta-Bankerl in unserem Olivenhain - den Schubs: Scheiß Dir nix, tu beides ins Buch, passt scho! 

"Hungry Heart" war fertig. 

Irgendwie vor der Zeit. Denn eigentlich hatte ich ein anderes Buch geplant: Mein Fachbuch über Führung. Fünf Jahre lang war es über die ersten 30 Seiten nicht hinausgekommen. Ein Jahr lang hatte ich einen Serien-Eintrag im Kalender. Jeder Montag war "Schreibtag". Kein einziger ist es wirklich geworden.

Die Kolumnen im "New Business", wo Gabi Art Directorin ist. Wieder ein paar Leitplanken. Wieder der Urlaub in der Toskana. Wieder. Dieses Mal auf einem Hügel bei Volterra. Gabi und ich sitzen einander gegenüber. 

Jeden Tag von 11 bis 17 Uhr.

Beide schreiben. Hochkonzentriert. Unterbrochen von spontaner Verabreichung von Textproben. Wie kleine Grüße aus den Gedanken-Küchen. 

Da wurde mir zum ersten Mal etwas bewusst. Wenn ich schreibe, wie ich rede, wird es meistens gut. Ich schreibe, als würde ich meine eigene Mitschrift des Redens herstellen. 

Das Buch, das ursprünglich "Handle with Care" heißen sollte, kriegt einen neuen Titel, den mir Waltraud Langer schenkt: "Tool Box".


Auf Facebook hat sich bis dahin mein Schreib-Konflikt ausgewachsen. Immer wieder der Genuss, Miniaturen zu schreiben. Immer öfter der Drang, zu Politisieren. Unüberwindlich. Obwohl ich weiß, in welcher Parallel-Welt sich das alles abspielt. Ich kann nicht anders. Es muss einfach raus.


Dann - vor einem Jahr - fragt mich meine wunderbare Kundin Doris, ob es zu Weihnachten wieder ein selbstgeschriebenes Buch geben wird. Ich verneine. Sie macht Druck. In den Seminar-Pausen sichte ich das Material. Aus den Facebook Miniaturen eines Jahres entsteht "Ja. Eh." Das Buch direkt aus meinem Herzen. Bis heute bin ich sicher, sämtliche Leserinnen dieses Büchleins persönlich zu kennen. Aber ich liebe es.


Dann der Facebook-Frust über Hass und Dummheit. Der Blog. Irgendwie das Gefühl, hier eine Enklave zu haben. 

Und zugleich - so wie grade wieder - die Lust an den Miniaturen.


Ich bin glücklich, wenn ich schreibe. 

Auch dann, wenn ich grade wütend bin.