Sagt man nicht.

Sprache schafft Bewusstsein. Eigentlich ein alter Hut, trotzdem noch immer nicht in vielen Gefäßen angekommen, die von Hüten bedeckt werden. Einmal ganz davon abgesehen, wie gut zum Beispiel bildhafte Sprache das sogenannte Kopfkino auslösen kann und wie hilfreich dieser kommunikative Zugang ist, um schnell und faszinierend Botschaften zu verankern; oder welch wunderbare Reisen in die exotischesten Welten der Vorstellungskraft ein Buch ermöglicht: Es erscheint wieder einmal ratsam, darauf zu verweisen, wie toxisch der unachtsame Umgang mit der Sprache sein kann und wie schädlich er für eine wertschätzende Kultur des Austauschs von Inhalten ist.

Da ist es dann schon recht seltsam, wie unbekümmert der giftigste Dreck (wieder) an die Oberfläche gepresst wird, obwohl eine gewisse Grundausstattung an Wissen und Moral doch nach so vielen Jahren der Freiheit des Erwerbs dieser beiden Elemente des guten Zusammenlebens ins Land gezogen sein müsste. Da möchte man sich doch zumindest wünschen, dass der Gebrauch bestimmter Formulierungen oder Begriffe wenigstens so unterbleibt, dass sich auch unbekümmerte Ignoranten gegen ihre eigene Dummheit einfach nur ein bisschen um die allgemeine ethische Hygiene bemühen. (Ja, ich weiß, Widerspruch in sich, aber es ist Samstag, ich relaxe auf der Couch und träum so vor mich hin.)

Da wäre zum Beispiel das nicht auszurottende Geschwafel von „Unsere Ehre heißt Treue". Sehr beliebt in Kreisen von FPÖ Provinzobersturmbannführern. Das war eine Parole der SS. Oder „Durch den Rost gefallen" – ein unerträglich makabres Bild aus den NS-Vernichtungslagern. Deren Existenz von schambefreiten Schweinen immer noch angezweifelt wird oder die – ganz besonders hinterfotzig – auch ab und zu als „Straflager" bezeichnet werden. Von Leuten, die Deserteure als Kameradenmörder bezeichnen.

Oder die Bezeichnung „1A". Eine Klassifizierung, mit der jene Menschen kategorisiert wurden, die den Rassevorstellungen der Nazis ganz besonders gut entsprachen. 

Auf Stammtischen ebenso wie in elitären Zirkeln nach wie vor beliebt: Das Gegenrechnen der Verbrechen der Nazis und der Stalinisten. Oder auch – immer noch im Schwange – die untragbare Mär, dass die Konzentrationslager eine Folge der Kriegshandlungen gewesen wären und außerdem alle außerhalb der deutschen Grenzen standen.

In einem solchen Gebräu geht dann schon unter, wenn der Kanzler von der Achse Berlin - Wien – Rom schwafelt. Oder wenn er – offensichtlich das einzige, woran er Faschisten antrainiert erkennen kann – den Antisemitismus geißelt und alle anderen Parameter dieser moralischen Pest ignoriert. 

Die Liste der Unerträglichkeiten ist mehr als unvollständig, wird aber täglich von den ethischen Marodeuren, die derzeit das Sagen haben, neu befüllt.

Trotzdem sei es ihnen und ihren bewusstlosen Clacqueuren gesagt: Sowas sagt man nicht. Und wenn das Sagen aufhört, wird sich vielleicht irgendwann das Denken und ganz zum Schluss das Fühlen ändern. 


P.S.: Bewusst und nicht aus Schlampigkeit lasse ich alle anderen Nuancen der "political correctness" aus. Ein "Zigeunerschnitzel" schmeckt mir zwar nicht, wenn es so auf der Speisekarte steht, aber wenn der Wirt einem auf der Straße vorbeigehenden Afrikaner die ekligsten Beleidigungen nachruft, weiß ich, wo ich zuerst ansetzen will.