Zwei Frauen.

Sonntag Vormittag mit "profil".

Der Herausgeber - ein im Vorjahr zynisch-fanatischer Herbeischreiber von Sebastian Kurz - ist aufgewacht und macht sich Sorgen, dass sein Bergkamerad in eine fatale Geiselhaft in den Klauen der FPÖ geraten sein könnte. Ah ja. Eh.

Ein paar Seiten weiter wird's wirklich spannend. Eine lange Geschichte über Pamela Rendi-Wagner und - eingebettet in die Story - ein Interview mit Doris Bures. 


Die Lektüre löst vieles bei mir aus. 

Zuerst eine gewisse Melancholie bei Betrachten des ganzseitigen Porträtfotos der designierten Vorsitzenden. Ich sage zu meiner Frau: "Schau, so sieht Resignation aus." Das Herz tut mir weh, während ich das ausspreche. Schon zu Kerns Zeiten hatte ich mir für den Fall seiner Resignation diese Frau gewünscht... Und irgendwie will mir nicht einleuchten, warum die SPÖ sich so verbissen in die Selbstschädigung versteigt.

Die Themen sind doch aufgelegt. Und diese Themen liegen eben nicht in der Rückeroberung der historischen Stammwähler, denn die sind hoffnungslos den Populisten/Faschisten zum Opfer gefallen. Nur sehr schwarze Pädagogik (Lernen durch Schmerz) würde diese Unverbesserlichen zum Schwenk bewegen. Und dann wäre ein fataler Mechanismus wahrscheinlich unvermeidlich: Wie so oft im Leben würden die Verblendeten es gerade der SPÖ übel nehmen, sie nicht vor der Verblendung bewahrt zu haben. 

Teufelskreis also.  


Die SPÖ sollte sich als weltoffene, geistig durchlüftete, europäische, lösungsorientierte und den wirklich relevanten Themen verpflichtete Bewegung positionieren. Als Zentrum all jener, deren Argumente auch einem zweiten Blick standhalten und sich nicht mit grausamer Konsequenz als bösartige Windeier entpuppen. Als Bewegung der wirklichen Moderne, die nicht aus dem sattsam gescheiterten Ewiggestrigen schöpft, sondern aus mutigen Entwürfen. Wenn nun die Partei glaubt, dass das Thema Migration in seiner Bedeutung zurückgeht und "Wohnen" an Relevanz zunimmt, dann muss es doch jemanden geben, der ein Papiersackerl aufbläst, zum Platzen bringt und in den Knall hinein laut "Aufwachen!" schreit. Leute! Die arbeitenden Menschen quer durch alle Schichten werden grade mächtigst verarscht und mit dem Migrations-Gespenst von den realen Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung abgelenkt. 

Her mit Antworten dazu oder Ihr seid zurecht irrelevant!

Da könnte doch ein nachweislich gebildetes Wesen wie Rendi-Wagner eine sehr eigenständige Spur ziehen. Bitte her damit!


Und dann das Interview mit Doris Bures.

Ob sie sich an mich erinnert, ist höchst zweifelhaft, ich mich an sie jedoch ganz intensiv. Im Jahr 2002 bemühte sich Alfred Gusenbauer (erfolglos) um das Amt des Bundeskanzlers. Die Agentur, die ich damals leitete, pitchte am Beginn des Wahlkampfs um den Etat der SPÖ. Wir hatten eine Unzahl an Themen auf Plakaten aufbereitet und uns sehr um medienadäquate Gestaltung bemüht: Eine knackige Headline, Gusenbauer und Logo. Fertig. Am Ende der teilnahmslos rezipierten Präsentation sagte die damalige Wahlkampfleiterin Doris Bures den bemerkenswerten Satz: "Warum steht auf den Plakaten so wenig Text?" Daraufhin wandte ich mich an meinen Partner und sagte: "Komm, packma zsamm, das hat keinen Sinn hier." Der Beginn einer wunderbaren Abneigung. Und heute lese ich im "profil" diese Aussage von Bures:

"Wenn das Jahrhundert der Sozialdemokratie vorbei wäre, würden wir in einer gerechten Welt leben. Das ist leider nicht der Fall. Daher braucht es die Sozialdemokratie mehr denn je." Ja.


Bevor ich mich von meinem gesunden Abstand zu Bures löse: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sie für die potenzielle Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin vollkommen ungeeignet ist. Sie würde genauso abgewatscht werden, wie der letzte rote Kandidat. Weil sie für die Welt von gestern steht.


Und das ist das Drama, dem wir heute mit blutendem Herzen zuschauen: 


Die personifizierte soziale und intellektuelle  Intelligenz und höchst qualifizierte Kompetenz findet noch immer nicht in die Spur. 


Und die Vertreterin eines verstaubten Apparats sagt gute Worte.