Ich liebe Rituale. Als strukturkonservativer Mensch ganz besonders. Wenn ich wo auf Urlaub war und es hat mir dort gefallen, will ich wieder hin. Weil ich dann schon ganz genau weiß, wo die guten Plätze sind. Und wenn ich dann wieder komme, geht das cherry-picking ganz lustvoll los. Den Schrott können die Erstlinge gerne für sich behalten.
Weil sowas natürlich nicht jedem zumutbar ist, haben Schatzi und ich einen Deal: Einmal urlauben wir dort, wo wir schon einmal waren und einmal an einem neuen Platz. Somit vergrößert sich die Auswahl der bekannten Plätze im positiven Fall automatisch ...
Mein Stammtisch am Montag, den ich viel zu selten aufsuche, ist durchdrungen von Ritualen. Und wenn ich gut drauf bin, fahren die in mich rein wie eine Frischzellenkur. Wenn nicht, nicht ...
In meiner schrecklichen orientierungslosen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte ich eine kurze Beziehung mit einer Frau, die hat mich in meiner "Ritualistik" noch um Längen geschlagen. Ständig waren irgendwelche spezielle Anlässe, die mit für mich undurchschaubaren Ritualen gespickt waren. Bis zur Farbe der Unterwäsche, wo ich dann wirklich völlig ratlos blieb.
Rituale brauchen einen Sinn, den ich entweder vermitteln oder verstehen muss. Sonst bleibt die Aktivität oder die Symbolik hohl.
Schatzi und ich erleben das in unserer Patchwork-Situation ganz oft. Da sind fünf Kinder, die haben drei verschiedene Mütter und zwei Väter. (Ja, eh, ich bin der größere Chaos-Präsident). Da glitzert es nur so von irgendwann einmal irgendwie etablierten Mechanismen. Ignoranz oder Verstoß sind ständig lauernde Fallen in einem sonst so liebevollen Szenario. Und was beim "anderen" anstrengt, ist in der eigenen Sippschaft hochbegehrt. Mein Linzer Opi - der Bumberger-Opi - dem ich offenbar ähnlicher bin, als mir manchmal recht ist, hatte sieben Kinder mit drei Frauen. (Also gut, DAS schaff ich in diesem Leben wirklich nicht mehr...) Und sein größtes Glück war, seine ganze Fortpflanzung zur selben Zeit am selben Ort zu versammeln. Gelang wegen diverser Feindseligkeiten diverser Mütter nur ganz selten. Nur bei seinem Begräbnis waren alle da. Bissi spät, irgendwie ...
Den Drang nach dem Suhlen in der Gemeinschaft aller DNA-Träger hab ich auch. Leider auch den Drang des eigenen Bauchvolumens nach ständiger Expansion. Aber auch da ist Opis Spitzenwert wohl nicht erreichbar (was doch auch ein Glück ist)...
Eines meiner allerliebsten Rituale ist die Küchenkonferenz am 24.12. Wenn die Gans im Rohr schmurgelt, ich mir mit ihr eine Flasche vom Roten teile und meine Herzensmenschen antelefoniere...
So wünsch ich mir halt ein weihnachtliches seelisches Fußbad in möglichst komplettem Kreis meiner Allerliebsten - mit und ohne DNA - und dass wir unsere Eigenheiten liebevoll annehmen mögen. Das warat dann durchaus ein neues Ritual, das ich mir gerne angewöhne.