"Advertising is the most sexy thing you can do with your clothes on." (Michael Baulk)
"How to sell a Nazi-Car to lower Jewish Manhattan." (Bill Bernbachs legendärer Präsentations-Titel für den Gewinn des amerikanischen VW-Etats wenige Jahre nach WK II)
"From the guys who gave you Pearl Harbour." (Jerry della Feminas Claim-Vorschlag für die amerikanische SONY-Kampagne/wurde nicht gekauft)
"Happyness is a cigar called Hamlet. Hamlet - the mild cigar." (BBH - 17 Jahre lang für Hamlet)
Für Botschaften wie diese wollte ich 20 Jahre lang beinahe alles tun. Damit sie entstehen, damit sie der Kunde mag, damit sie möglichst lange den wirklichen Kunden - den Konsumenten - erfreuen. Unschwer zu erkennen, dass kein einziger dieser Slogans in einer Umgebung entstanden ist, in der ich mich aufgehalten habe. Unerheblich. Es ging mir immer um die Faszination, von so einem Anspruch angetrieben zu werden.
1984 betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben eine PR-Agentur. Darüber hab ich schon geschrieben. Sehr bald spürte ich, dass der damalige (!) Zugang zum Metier nicht ganz meine Ambitionen befeuern konnte. Eine gravierende Unstimmigkeit mit meinem damaligen Chef genügte und ich suchte mir was Neues. Ogilvy in Wien suchte einen Kundenberater. Passte perfekt. Dort lernte ich das Handwerk von der Pike auf.
Noch heute bin ich den Grafikern und Producern auf Knien dankbar, dass sie meine himmelschreienden Unbeholfenheiten ertragen haben. Irgendwann spürte ich - es war 1985 - eine innere Abwehr gegen die fest verankerte Beratungsphilosophie der damaligen Wiener Ogilvy Niederlassung.
Ganz im Gegensatz zur hocheleganten internationalen Aura war man in Wien dem Kunden gegenüber sehr devot. Was sich auch immer wieder auf die Qualität der Kreation auswirkte. Ein Texter empfahl mich zu
Young & Rubicam weiter. Dort kochte die Kreation auf sehr heißer Flamme. Der legendäre Luigi Schober führte die Beratung mit harter Hand und lehrte ein paar junge Rennpferde wie mich, wie man strategisch und ideen-orientiert denkt und arbeitet. Wir waren respektvoll zum Kunden, aber auch unerbittlich, wenn es um die kreative Essenz ging. Dahinter brodelte das Regime von Edmund Petri - einem Ausnahmekreativen, der von grausamen Stimmungsschwankungen getrieben tatsächlich immer wieder um die Ecke denken konnte. Wir sind für Luigi und Edmund gerannt. Einmal habe ich von 15.00 bis 23.00 mit dem Marketingdirektor eines Kunden um ein Plakat-Sujet gekämpft. Bis er es gekauft hat. Es wurde dann das zweitbeste in der Geschichte des Unternehmens. Für einen anderen Kunden hatten wir 23 Sujets vorbereitet, die zeigen sollten, wie ein Desktop-Publishing-Gerät Textelemente mit Bildern auflädt. Unter anderem auch ein Sujet zur Kindersterblichkeit in Afrika mit einer Unzahl durchgestrichener Kinderköpfe in der Illustration. Von den 23 Vorschlägen hat der Kunde 18 gekauft - ein smashing success. Ich schwebe zurück in die Agentur, Edmund erwartet mich schon, ich schieße die Botschaft mit den 18 Sujets heraus. Alles nichts wert, weil der Kunde die toten Kinder nicht wollte. "So kann ich nicht arbeiten ... " - das berühmte Zitat vieler Künstler: Bei Y&R war es tägliche Grundausstattung. Dort entstand mein Berater-Credo: Ich wollte lieber der Botschafter der Kreation beim Kunden sein, als der Botschafter des Kunden in der Kreation. Als ich selbst Agenturen führte, habe ich die BeraterInnen nach diesem Anspruch ausgesucht und bin sehr umfangreich belohnt worden.
Luigi ging zur GGK. Das war damals ex aequo mit Demner die größte und beste Agentur des Landes. Der damals schon legendäre Hans Schmid machte mir auf Betreiben Luigis ein Angebot. Es war finanziell das schwächste aus einer für mich sehr schmeichelhaft großen Zahl von Alternativen. So hab ich es auch ausgesprochen. Hans beugt sich zu mir nach vor. Wir saßen im "Gustl Bauer", dem Stammlokal von Helmuth Zilk, der vom Nebentisch rüberfeixte. Hans sagt zu mir: "Ja, das ist jetzt schwer: Kohle oder Faszination." Ich höre, wie mein Mund reflexartig sagt: "Bitte die Faszination!" Dann begannen zwei herrliche Jahre im Schlaraffenland der Kreativität. Und Hans hat dafür gesorgt, dass ich meine Entscheidung auch finanziell nicht bereuen musste. Es war in jeder Faser so faszinierend, dass ich oft erst um 20.00 zum ersten mal auf die Uhr schaute und dann noch zwei, drei Stunden dranhängte. In der GGK der 80er Jahre versammelte sich ein unglaublich großer Teil der besten Kreativen des Landes. Wortakrobatik, Gestaltungskraft, kraftvollste Reduktion aufs Wesentlichste. Nicht umsonst sind die Plakat-Kampagnen der GGK aus dieser Zeit berühmt geworden: Palmers, Römerquelle, Lotto, Tichy und ungezählte weitere. Hans stand zu seiner Ansage: "Ein Plakat ist ein öffentlicher Skandal" und wir waren ungeheuer stolz.
Nach zwei Jahren verließ ich dieses Paradies, wurde für meine Hybris schwer bestraft, bis ich nach weiteren zweieinhalb Jahren der Irrungen wieder bei Ogilvy ankam. Diesmal ein paar Etagen höher. Ich war bald der Leiter der Kundenberatung geworden und mit der Kraft einiger Ausnahme-Kreativer konnten wir ein paar sehr gute Spuren in den Markt setzen. Der später berühmte Autor Wolf Haas war damals Texter/CD bei Ogilvy und zu meiner Freude hatten wir ein paar sehr schöne Kunden gemeinsam. Ogilvy in den 90ern (und auch später noch) war für mich der Inbegriff einer herrlichen Symbiose aus lokaler Verwurzelung und internationalem Horizont. Ich habe diesem Ideal später auch bei Ammirati Puris Lintas und der BBDO nachgeeifert. Ich betreute u.a. auch Shell und mit einem wunderbaren Team gelang das so gut, dass ich als einziger Europäer zu einem sehr exklusiven Network-Meeting nach Houston eingeladen wurde. Darauf bin ich bis heute stolz.
Nach drei Jahren Ogilvy fragte mich der damalige Chef der Lintas, ob ich sein Nachfolger werden wollte. Ich wollte. Die Lintas hatte keinen guten Ruf. Staubig, bürokratisch, kreativ unterirdisch. Nur internationales Geschäft. Ich traute mir trotzdem zu, daraus was machen zu können. Was ich nicht wusste: Der Laden war auch pleite. Nach einem Ausdünnen der Agentur bis auf Haut und Knochen, machten wir uns auf den Weg. Wir: Insgesamt 16 bis aufs Blut verschworene Leute, die daran glaubten, dass wir gut genug wären, es zu schaffen, aus der Bruchbude eine richtig gute Agentur zu machen. Noch heute schließe ich diesen Haufen immer wieder dankbar in mein Abendgebet ein. Ich lernte. Richtig bösartige Stammkunden zu drehen. Zu akquirieren. Zu motivieren. Zu feiern. Durchzuhalten. Mit dem Network zu streiten. Nach einem Jahr waren wir aus dem Gröbsten raus. Beim Stammgeschäft die Qualität gedreht. Endlich wieder lokales Geschäft. Ab Jahr 2 hatten wir einen richtigen Lauf. Immer wieder neue Kunden. Kreativ-Awards! Noch mehr neue Kunden. Nach drei Jahren hatten wir 60 Prozent lokales Geschäft und waren um 68 Prozent gewachsen. Eine der typischen Network-Unverschämtheiten führte zu einem resoluten Gegenangriff unserer Seite und 1998 unterschrieben wir den Buy-Out-Vertrag, der uns 49% der Agentur und 51% der Entscheidungsgewalt brachte. Ausnahme: Merger und Take-Over. Genau. Mitte 2000 wurde die Agentur weltweit mit Lowe fusioniert. Arschkarte. Anteile verkaufen. Fusion begleiten. Loyale Mitstreiter verärgern. Schmerz. So viel Schmerz. Von einem sehr guten Freund sehr beschissen werden. Ein "Lebenswerk" wird einem unter dem Hintern weggeschossen. Ich war innerlich gebrochen.
Dann kam das Angebot, gemeinsam mit meinem bisherigen Kreativ-Partner CEO der BBDO zu werden. Der gekränkte Narziss nimmt an. Hohl, aber aufrecht. Ein Jahr hab ich mich geschleppt. Externe Hilfe. Interne Geduld der Partner. Ein Schuss vor den Bug aus dem Network: "Wenn Du im Lotto gewinnst und Deine eigene Agentur gründen kannst: Wen nimmst Du mit?" Scheisse...
Alles neu aufbauen. Eine echte Kreativ-Abteilung. Kämpfende Beratung. Controlling statt Buchhaltung. Ausmisten. Wieder ein harter Kern von tapferen und loyalen Kämpfern - die meisten aus langjährigem Bestand plus handverlesener Neuzugang. Es funktioniert. 44 Awards. 12 neue Kunden. Keinen verloren. Aber mein "Spirit" ist beschädigt. Ein wirklich guter Freund sagt mir die Wahrheit. "Du kommst an Deine Glanzzeiten nicht mehr heran."
Menschliche Entfremdung mit dem Partner.
Dann das Meeting mit dem europäischen Marketingdirektor von Masterfoods. Er erzählt uns mit Rührung in der Stimme, dass im neuen Sheba nun noch raffiniertere Sößchen und nun noch feineres Fleischchen für Kätzchen wäre. Nur ich spüre, wie pervers das ist. Meine Partner haben kein Problem damit.
Aus. 20 Jahre. Schön. Schön wild. Irre. Irre schön. Verrückt. Verrückt.