Begrifflichkeiten.

Es ist sinnlos und schade um die Mühe, der ÖVP ihre vermeintlichen Abweichungen vom Pfad des "christlich-sozialen" vorzuwerfen. 

Wer sich die Arbeit antut, um zumindest "christlich-sozial" oder gar "christliche Soziallehre" zu googeln, stößt auf ein höchst komplexes Gedankengebäude mit sehr schwer vermittelbaren Begrifflichkeiten. 

Wer die Hoffnung hat, "christlich-sozial" wäre so etwas wie Sozialdemokratie gemildert durch ein "Vater Unser" muss enttäuscht sein.

Wer sich von der türkisen Wirklichkeit die politische Übertragung der Bergpredigt erwartet, bleibt wütend zurück.

Deshalb ein paar Anmerkungen zu einer realistischeren und frustrationsvermeidenden Diskussion.


Die ÖVP in ihrer türkisen Abart ist nichts Anderes, als ein erzreaktionäres Sammelbecken für FPÖ-Sympathisanten mit Matura. Dort freuen sich viele, dass sie die "Roten Gfrieser" endlich dorthin verbannen konnten, wo sie ihrer Meinung nach hingehören: in die dauerhafte Opposition. 

Die paar Wirtschaftsliberalen glauben immer noch, dass es um einen leistungsorientierten Umbau von Staat und Gesellschaft geht und ignorieren beharrlich den Unterschied zwischen Leistungsförderung und übelstem Sozial-Darwinismus. 

Christlich oder sozial ist daran nichts und deshalb ist es müßig, diese vermeintlichen Wurzeln einzufordern. Die ÖVP unter Kurz ist zu einer illiberalen Tarnversion des Austro-Faschismus verkommen. Kurz entspricht in seiner autistischen Abgrenzung von echten Emotionen sehr dem Bild, das Schuschnigg immer wieder abgab (selbstverständlich abgesehen von den Unterschieden in Bildung und Lebenserfahrung).


Die FPÖ ist eine typische neo-faschistische Partei, deren Wählerschaft mehrheitlich von dem gebildet wird, was man früher abschätzig "Proleten" genannt hat. Diese verrohten politischen Schlägertypen merken nicht, dass sie nach Strich und Faden von einem Klüngel verarscht werden, der aus tiefer Verachtung für diese Plebejer ein Spiel inszeniert, das von einer unheiligen Allianz aus Burschenschaft und Industrie gebaut wird. 


Für die Sozialdemokratie ist es deshalb vollkommen sinnlos und auch unsinnig, diese Klientel zurückholen zu wollen. Die "Proleten" werden nur durch Schmerz lernen und ab dem Moment der "Verarschungs-Erkenntnis" genau nicht zur SPÖ tendieren, sondern den Roten vorwerfen, sie nicht vor der Verarsche geschützt zu haben.


Der Kampf wird um das rabiate, dröge, dumpfe Mittelmaß gefochten werden müssen. Das ist zutiefst frustrierend, aber nur, wenn die selbstzufriedenen Bausparer mit Genossenschaftswohnung erkennen, dass sie es sind, die die Reichen reicher machen, ohne selbst ein relevantes Stück vom Kuchen abzubekommen, wird sich etwas ändern. 


Dafür braucht es klare und mutige Ansagen zu Bildung, Migration, Gesundheit UND Europa. Nur dort ist die Zukunft. Nicht in Visegrad, wohin uns die amtierenden Marodeure auf Schleichwegen (ver)führen wollen.