Labe-Stationen.

Obwohl oder grade weil es seit einem Jahr mit den immer neuen Schrecklichkeiten innerhalb der Landesgrenzen kein Ende nimmt (die außerhalb bleiben widerlich genug), hilft es, sich an den eigenen Erfahrungen und Ressourcen aufzurichten.

Diese Vitamin-Depots werden dann wie beim Ausdauer-Sport zu Labestationen, an denen man die ausgemergelte Batterie wieder aufladen kann. Heute hole ich mir ein paar dieser seelischen Kalorien-Reserven aus dem Depot.

In der Pubertät soll man so unbekümmert sein, wie es die Umstände nur irgendwie zulassen. Das ist keine Empfehlung zur Anarchie und zur Bösartigkeit. Im Gegenteil: 

Würde ich heute meine Pubertät nochmals erleben dürfen, würde ich einfach spielerisch ganz viel ausprobieren und sehr unbekümmert mit vermeintlichen Niederlagen umgehen. (Peter Senge: "Fehler sind nur Umwege auf dem Weg zum eigentlichen Ziel." Oder - einfacher: Umwege erhöhen die Ortskenntnis.)

Mein Vater hat gelitten, weil ich Politikwissenschaft studieren wollte. Aber er hat es gezahlt. Großzügig. Gleichzeitig hat er großen Druck gemacht, dass ich kein Semester verbummle. Als er dann krank wurde und auf meine Hilfe angewiesen war, schaute er nicht mehr auf den Zähler, weil andere Faktoren wichtiger geworden waren.

Heute - im Gespräch mit meiner geliebten Frau - ist wieder ein Gedanke aufgepoppt, den wir schon öfter gewälzt haben: Wir leben in wirklich wohlig gepolsterten Umständen und haben Berufe, die wir leidenschaftlich ausüben. Den mit gut wattierten Rücklagen versüßten Wohlstand haben wir nicht erreicht. Und wir unterstützen unsere Kinder, so oft und so gut wir können. 

Und dann beobachten wir Leute, die eben diese gut ausgestatteten Rücklagen haben.

Und ganz viele dieser Menschen sind erstaunlich geizig. Sind die eventuell deswegen so "reich", weil sie so geizig waren?

Dann bin ich lieber für meine Variante, freu mich unendlich, dass ich mich bei der Speisekarte auf die linke Spalte konzentrieren darf und im Urlaub nicht jeden Abend nachrechne, was der Tag wieder gekostet hat. 

Und dann bleibt immer noch genug übrig, um denen zu helfen, wo es vorne und hinten, links und rechts, oben und unten nicht reicht.

Meine private Beziehungs-Bilanz würde reichen, um den halben Psychotherapeuten-Verband auf ständiger Betriebstemperatur zu halten. Und doch bin ich sicher, an den richtigen Stellen in meinem Leben richtig abgebogen zu sein. Ich habe zwar ab und zu die ideale Ausfahrt versäumt oder die perfekte Auffahrt. Was dazu führte, dass eine meiner Töchter vor Jahren mich einmal als ewigen Junggesellen bezeichnete (kurz nach meiner zweiten Scheidung ...). 

Und doch darf ich mich zumindest so weit sicher fühlen, dass ich keine dauerhaften Verwüstungen angerichtet habe. Und eine wirklich hilfreiche Erkenntnis habe ich immerhin gewinnen dürfen: Bei Trennungen (beruflich oder privat) sollte man erst dann gehen, wenn man sich des eigenen Anteils am Scheitern bewusst (geworden) ist.

Heute weiß ich, wo ich daheim bin und wenn ich einfach chronisch schlecht schlafe, wenn ich allein im Hotel bin, weiß ich auch, warum. 

Nichts geht über das liebevolle Gesicht des geliebten Menschen, in das man beim Aufwachen schauen darf. Und nichts geht über das sichere Gefühl, das einen einhüllt, wenn man beim Einschlafen weiß: 

Der wirkliche Traum meines Lebens liegt neben mir.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0