„Neulich traf ich einen Mann, der war furchtbar traurig, weil ihm sein Rasierpinsel ins Klo gefallen ist. Da sagte ich zu ihm: Freilich bist Du arm dran, weil Dir Dein Rasierpinsel ins Klo gefallen ist. Aber andere sind noch viel ärmer dran: Die haben nicht mal einen Bart.“ Otto, Sketch aus den 70er Jahren.
So ungefähr fühlt sich die Diskussion um die Reduktion der Mindestsicherung derzeit an. Was aus begreiflicher Wut von den Wohlmeinenden kritisiert wird, ist der miese Versuch, dafür zu sorgen, dass man eine große Gruppe ruhigstellt, der übel mitgespielt wird. Weil es einer anderen Gruppe garantiert noch schlechter geht. Und das kennt man gut. Der gleiche Mechanismus funktioniert doch bei jedem im Alltag, wenn man Trost braucht und sich nicht besser zu helfen weiß.
Der Rollstuhlfahrer freut sich, dass er nicht taub und blind ist. Der Einbeinige freut sich, dass er nicht im Rollstuhl sitzt. Der Blinde freut sich, dass er gehen kann. Der Impotente freut sich, dass er wenigstens nicht auch noch inkontinent ist. Der Österreicher freut sich, dass er kein Afrikaner ist. Jeder braucht was unter sich, damit er sich besser fühlt. Daran werden wir so schnell nichts ändern können. Die Achtsamkeit auf die eigene Ausstattung und das eigene Glück, das nicht in Relation zu anderen steht, ist eine hohe Kunst.
Die Niedertracht besteht darin, mit genau diesen Mechanismen ein zynisch-berechnendes Spiel zu treiben und genau diese tief in uns schlummernden Mechanismen an die Oberfläche zu locken. Aus dem miesen Kalkül, damit eine fiese Version angeblicher Gerechtigkeit zu etablieren, die ganz konkreten Interessen dient: Nicht die soziale und wirtschaftliche Bewegung nach oben zu fördern, sondern eine stabil „bedürftige" Schicht unten einzubetonieren, die ihre Kräfte darin erschöpft, sich gegenseitig ins Wadl zu beißen. Und impertinent wird’s dann, wenn ausgerechnet das als Methode, die stark macht (sozial ist, was stark macht) ins glatte Gegenteil umfunktioniert wird. Im ständigen Faustrecht unter der Mitte liegt das Erfolgsprinzip der wenigen ganz oben.
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Christl (Freitag, 25 Januar 2019 20:22)
Oh ja... lieber Hannes! Der letzte Satz bringt es absolut auf den Punkt!!! Es ist traurig und eine Schande zugleich!!! Der Fisch beginnt - immer noch - am Kopf ganz übel zu stinken!
Christian Sadil (Freitag, 25 Januar 2019 23:56)
Traurige Zeiten ... auf den Punkt gebracht! Danke!