Warum ich (immer noch) Sozialdemokrat bin.

1979 bin ich aus der (Jungen)ÖVP ausgetreten. In einem Brief an den damaligen Bundesparteiobmann Alois Mock habe ich meinen Entschluss damit begründet, dass ich den Kleingeist und die Borniertheit der Partei nicht mehr ertrage. In einem persönlichen Brief, den ich leider bei einer Übersiedlung verloren habe, lud mich Mock zum Bleiben ein – ihm würde es genauso gehen wie mir. Meine politische – linksliberale – Heimat ist seither die Sozialdemokratie. Der Grund ist in einem Wort zusammengefasst: Großzügigkeit.

Ja, jetzt kommen natürlich sofort die reflexartigen Repliken mit der Schuldenpolitik und der Misswirtschaft. Die sitze ich auf einer Arschbacke ab. Selbst beim besten Willen gelingt es nicht, auch nur eine konservativ getriebene „Sparmaßnahme" zu identifizieren, die NICHT entweder nach hinten losgegangen wäre (siehe Fotos auf den E-Cards) oder eine reale Verschlechterung ohne Gegengewinn oder sogar einen korrupten Nachgeschmack gehabt hätte. 

Die Großzügigkeit im DENKEN ist der allergrößte Bonus der Sozialdemokratie. Sie hat sogar den völlig ideenbefreiten Kanzler Faymann überlebt und gleichzeitig immer noch die Essenz der Gutwilligen und der Weltoffenen – widerwillig, aber doch – bei der Stange halten können. Im Gegensatz zur ÖVP, die aus mir unerfindlichen Gründen besonders seit Schüssel zu einer Politik des Bußgürtels tendiert. Nicht eine der sogenannten Reformen hat das Leben einer Mehrheit im Land verbessert. Jedes einzelne Mal war der Schmerz der erwünschte Begleiter der Veränderung – je mehr, umso besser. So, als wollte jemand seine eigenen Sünden auf dem Rücken möglichst vieler anderer abladen – eine Politik des Sozialsadismus. 

So etwas würde einem Sozialdemokraten nicht im grausamsten Albtraum einfallen. 

Die Sozialdemokratie steht trotz vieler Irrungen und Wirrungen für eine Politik, die dem Menschen zugewandt ist. Dem Menschen mit seinen Fähigkeiten, Begabungen und Idealen. Sie vertritt eine Grundhaltung des Vertrauens und nicht des Misstrauens, weil sie eben nicht wie die Konservativen von der Religion der Erbsünde durchdrungen ist, die das Individuum als Schmarotzer diffamiert. Das ist der bösartigste Etikettenschwindel der ÖVP, die unter dem Deckmantel der Freiheit eine Tatsächlichkeit der Ungleichheit und der Ungerechtigkeit schafft. Und wenn seitens der ÖVP der SPÖ vorgeworfen wird, sie wolle alle „gleich machen" (wie jüngst der Nationalratspräsident Sobotka), dann rufe ich zurück: Ja, weil wir alle gleich SIND! 

Großzügigkeit im Denken, in der Wissenschaft, in der Bildung, in der Kunst. Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit des Menschen. Freude an der Buntheit der Welt. Gerechtigkeit und Fairness für alle.

All das wird immer der sozialdemokratische Kanon sein. Und die ÖVP steht bei jedem einzelnen Punkt für das Gegenteil. Mehr muss ich nicht wissen.


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Kommentare: 10
  • #1

    Katharina Seifert-Prenn (Mittwoch, 20 Februar 2019 03:42)

    danke für dieses Plädoyer für ein großzügiges Denken!

  • #2

    Wilma Halama (Mittwoch, 20 Februar 2019 07:25)

    Mehr als DANKE, ist dazu nicht zu sagen!

  • #3

    Josef Eisner (Mittwoch, 20 Februar 2019 07:52)

    Danke für diese Worte. Ich finde mich darin inhaltlich und emotional wieder.

  • #4

    elfie (Mittwoch, 20 Februar 2019 08:56)

    danke! ich kann jedes Wort, und vor allem deine zentrale Begründung nur bestätigen - es trifft auch meine Haltung und meine Werte!
    Nur bin ich neidig - ich möchte es genauso in Worte fassen können wie du! nämlich ganz großartig!

  • #5

    Martina Bednar (Donnerstag, 21 Februar 2019 16:42)

    DANKE !!!! Ihre Worte spiegeln mein Leben und meine Werte wieder !!

  • #6

    mkt (Freitag, 22 Februar 2019 15:46)

    Was für Worte!
    Punktgenau und treffsicher zeigen Sie auf, was die beiden Großparteien unterscheidet. Danke!
    Wie gut, dass ich mich bereits entschieden habe, eine Linke zu sein.

  • #7

    Romana Schallhofer (Sonntag, 24 Februar 2019 16:25)

    Genau das ist es!
    Fairness und Gleichberechtigung für alle.
    Das niedrige Stockerl für die, die nur ein niedriges brauchen. Das hohe Stockerl und viele andere Höhen für diejenigen, die es eben anders brauchen, um gleiche Chancen zu haben.
    So tickt die Sozialdemokratie.

  • #8

    Edith Miler (Sonntag, 24 Februar 2019 16:28)

    Ich bin mein Leben lang eine Sozialdemokratin. Von der SJ . an bis jetzt. Wir haben nicht immer gute Politiker gehabt, aber ich hab auch nicht unbedingt den Mann / Frau gewählt, der eben gerade in der Position während der Wahl war, sondern, das Politische Manifest. DER WEG IST DAS ZIEL ** Ich bin aus der Generation , die für alle Rechte gekämpft hat .Es waren damals schwere Zeiten für einen Arbeitnehmer. . Diese Rechte werden uns wieder Schritt für Schritt weggenommen. Aber eines weiß ich genau ** WIR SOZIALDEMOKRATEN HABEN SCHON SCHLIMMERES MIT EINEM LÄCHEL WEG GESTECKT** Auch dieses Mal werden wir es überstehen. ** FREUNDSCHAFT **

  • #9

    Degen Kurt (Montag, 25 Februar 2019 18:57)

    Besser könnte ich meine Überzeugung gar nicht zum Ausdruck bringen.

    FREUNDSCHAFT

  • #10

    Markus Weigner (Montag, 06 Dezember 2021 00:58)

    Bravo und Freundschaft!