2 Generationen Abstand.

Mein Vater war Jahrgang 1926. Er war im Zweiten Weltkrieg. Als ich 1958 geboren wurde, war er 32 Jahre alt und ein alter Mann. 

Erst jetzt wird mir liebevoll klar, wie schwer er es mit meiner Generation gehabt haben muss und wie sehr er sich trotzdem bemüht hat.

Mein Vater wurde nach "pädagogischen" Prinzipien des 19. Jahrhunderts erzogen.

Mit Strenge, mit Gewalt, mit undifferenzierter Liebe und emotionaler Erpressung. 

Er wäre bestimmt lieber was Anderes geworden, als das, was er werden musste. Wenigstens musste er nicht Bäcker werden wie sein Vater, weil das wollte er schon gar nicht.

Der feine, zartgliedrige Typ, der er war, wurde 1944 in die Wehrmachts-Uniform gesteckt und war - so viel erzählte er immerhin - nicht in Kriegshandlungen und Verbrechen verwickelt. Nach der Kriegsgefangenschaft in Frankreich kehrte er 1946 nach Linz zurück. Seine Heimat hat er erst 20 Jahre später als im Kommunismus verkommenes Drecksloch wiedergesehen.

Er hat in der Nazi-Zeit die Nazi-Lieder singen müssen, die Geschichtsfälschungen gelernt und ist trotzdem kein Faschist geworden.

1970 - als ich 12 Jahre alt war - plagte ihn nicht die Frage Beatles oder Stones. Sondern der qualvolle und ratlose Umgang mit einer Kultur und Lebensweise, die de facto nicht eine, sondern zwei Generationen von ihm entfernt war.

Als ich meine schwarzen Locken schulterlang trug, wusste er sich nicht anders zu helfen, als mir einen Abstand von drei Metern abzuverlangen, wenn wir gemeinsam auf der Straße gingen. Da hab ich mir mit der Emo-Phase meines Sohnes schwerer getan. 

Jetzt - mit 60 Jahren - wird mir manches klarer und erscheint in einem toleranteren Licht. Ja, er war ein verklemmter, in sich eingesperrter Flüchtling vor sich selbst.

Aber aus seinem Käfig hat er doch ab und zu Signale der Liebe geschickt. Und des Drucks, wenn er sich nicht besser zu helfen wusste.

Nach seinen Schlaganfällen war er nah am Wasser gebaut. 

Sogar das verstehe ich jetzt besser - zum Glück ohne die gesundheitliche Katastrophe. 

Am vergangenen Samstag war ich am Nachmittag bei der Verabschiedung eines verstorbenen Freundes und habe geheult wie ein Schlosshund.

Am Abend haben wir die Matura meiner geliebten wunderbaren Tochter Hannah gefeiert, die sich so großartig zurück ins Licht gekämpft hat. 

Und mir sind die Freudentränen das Gesicht heruntergelaufen. 

Da war er wieder da, der Vati.

Langsam wachsma zsamm.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Elisabeth (Donnerstag, 07 März 2019 12:48)

    Sehr, sehr berührend �. Vielen Dank, dass ich teilhaben darf.