Neulich hat eine von mir sehr geschätzte Journalistin auf Facebook eine sehr strenge Botschaft abgesetzt: Wer sich über Rechtschreibung oder Grammatik anderer Leute aufregt, den möchte sie nicht in ihrer Freundesliste haben. Es würde zu viele gute Gründe geben, Menschen mit mangelhafter Rechtschreibung gegenüber tolerant zu sein.
Bei mir hat dieses Posting gemischte Gefühle ausgelöst. Einerseits volles Verständnis. Andererseits aber auch Ablehnung.
Mir ist ein sorgsamer Umgang mit der Sprache sehr wichtig.
Irgendwie lustig fand ich dann, als sich in den Kommentaren eine andere Berufsschreiberin befand, die sehr starke Zustimmung signalisierte. Die selbe Schreiberin hatte vor kurzem formuliert: "Mir dünkt ...".
Mich strengt es sehr an, solche Nachlässigkeiten zu ertragen. Auch die epidemische Ignoranz des "ss" bei dass.
Oder erst kürzlich: "Wäret den Anfängen..."
Schmerz. Großer Schmerz.
Wer durchaus althergebrachte Formulierungen verwenden möchte, sollte auch so altmodisch sein, sich um eine korrekte Wiedergabe zu bemühen.
Oder "seid" und "seit". Anstrengend.
Ja. Grammatik-Nazi.
Ja. Lieber Grammatik-Nazi, als Neo-Nazi.
Denn die haben keine Ahnung vom Kulturgut "Sprache", das sie doch so sehr gegen die "Asylanten" verteidigen wollen.
Wer sich die Mühe macht und zuhört, wie sehr sich Menschen mit Migrationshintergrund bemühen, unsere Sprache zu lernen, muss sich ab und zu schrecklich schämen, wie schauderhaft schlampig viele mit der Gnade der hiesigen Geburt mit diesem Schatz umgehen.
Auch deswegen glaube ich, dass ein sorgsamer Umgang mit dem Regelwerk unserer Sprache ein Akt der Wertschätzung ist. Der Sprache gegenüber. Uns selbst gegenüber. Und gegenüber allen, die sich redlich bemühen, bei uns heimisch werden zu wollen.
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Franz Halmer (Mittwoch, 17 April 2019 15:46)
hast mir den Nachmittag versaut - weil irgendwie muss ich jetzt an die Pulitzer Preis-verdächtigen Wahlplakatreime vom Herrn Kickl denken ;-)
Elfi (Mittwoch, 17 April 2019 17:36)
ich tendierte oft zur absoluten Kleinschreibung und Satzverkürzung, bis ich merkte, wie problematisch das für Kinder sein kann. Deren Verständigung in ihren Chats hat sehr wenig Grammatikhintergrund. Das trägt nicht wirklich zu besseren Deutschkenntnissen bei. Seither bemühe ich mich, zumindest hier, als Vorbild zu dienen ;) Ich finde auch, unsere Sprache hat einen gewissen Respekt verdient :-)
Ulli (Mittwoch, 17 April 2019 18:57)
Ich verstehe das sehr gut, und auch mir rollt es manchmal die sprichwörtlichen Fußnägel auf bei manchen Wortmeldungen. Auf der anderen Seite finden die "Grammar Nazi" Diskussionen häufig auf der beim politischen Gegner zurecht angeprangerten persönlichen Ebene statt, indem man die Person als ungebildet, blöd und "typisch x-Wähler" bezeichnet, was schlicht und ergreifend respektlos ist.
Auf diese Weise zeigt man sich aus der anderen Sicht arrogant und abgehoben. Um Inhalte geht es dabei nicht, die gehen dabei völlig unter.
Man wird die Kluft in der Gesellschaft damit nicht schließen, sondern noch vertiefen. In diesem Sinne gebe ich C.M. absolut recht.
Christian Sadil (Donnerstag, 18 April 2019 10:41)
Was gäbe es Schöneres und Wichtigeres, als die Möglichkeiten der Sprache in der verbalen Auseinandersetzung mit dem, was uns bewegt (oder bewegen könnte/sollte) auszuschöpfen? Zu viele haben verlernt (oder nie gelernt), zu erkennen, dass sie sich selbst "beschneiden", wenn sie sich (selbst dem "Tempo der Zeit unterwerfend) in ihren Ausdrucksmöglichkeiten allzu sehr bescheiden. Anders als so manche ZeitgenossInnen bin ich auch der Meinung, dass der Verzicht auf angemessene Ausdrucksmöglichkeiten nicht nur einen Kulturbruch darstellt, sondern auch mangelnden Respekt gegenüber den Zielpersonen im Austausch von Meinungen verkörpert. À propos "Kultur": es liegt viel Ironie im Umstand, dass gerade jene, die von den Menschen aus anderen Kulturen besonders laut die "Unterodnung" unter unsere kulturellen Standards verlangen, oft selbst geradezu schmerzhaft jegliche Sprach-Kultur vermissen lassen. .. mia san eben mia!
Helena Novak (Freitag, 19 April 2019 12:54)
Mich dünkt, diese Journalistin kommt mit Deiner Eloquenz nicht zurecht. Deine schriftliche Ausdrucksweise ist auf einem solch hohen Niveau, dass ich (Ausländerin) Deine Texte sehr sehr gerne lese, denn schon der Konsum dieser ist mir ein Genuss und ein Beitrag zu meiner weiteren philologischen Bildung. Allerdings gestehe ich, dass ich eine ss-Banause bin und von den guten alten Regeln nicht ganz weg komme und daß ich dadurch auch gerne eine kleine Rebellion auslebe.
Irmgard (Dienstag, 14 Januar 2020 15:40)
Ah, da gibt es noch so einiges:
wie und als
am oder auf dem
Sie oder Ihnen
In der Eile passiert auch so mancher Fehler oder die Autokorrektur schlägt zu. �
Aber Du hast recht*, weh tut es allemal. Und soooo schön schreiben wie Du kann auch nicht jede*r.
* Ich hab‘ nachgeschaut. (https://m.korrekturen.de/kurz_erklaert/recht_haben_oder_recht_haben.shtml)