Gestern war ich nach Jahren der Absenz wieder einmal auf einem Wiener "Werber-Event". Zu meiner allergrößten Freude hatte mich jemand zu seiner Abschiedsfeier eingeladen, mit dem mich eine über viele Jahre sehr wechselvolle Beziehung verbindet: Dr. Fred Koblinger, Chairman von PKP BBDO verlässt die Kapitänsbrücke und übergibt an seine Nachfolger. Ihm zu Ehren war der weltweite CEO des BBDO-Networks - Andrew Robertson - angereist. Völlig zurecht, denn eine Charge drunter wäre dem großen Fred nicht gerecht gewesen.
Fred und ich kennen einander gut 25 Jahre. Wir waren lange Konkurrenten und wie bei ihm normal: faire Konkurrenten. Ohne schlechte Nachrede, ohne Hinterzimmer-Winkelzüge, gradeaus und mitten in die Augen. Dementsprechend waren auch andere frühere Mitbewerber eingeladen, mit denen mich auch eine ähnliche Fairness verband. Insgesamt sicher "nur" knapp 100 Leute - eine wohlsortierte Community in diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Anfang 2000 hatte mir die damalige Chairwoman der BBDO ein Angebot gemacht. Ich war - scheinbar! - leichte Beute, weil grade um diese Zeit mein bis zu diesem Zeitpunkt als "Lebenswerk" empfundenes Agenturschiff in einer Zwangsfusion untergegangen war. Die Chairwoman kannte sich leider gar nicht aus in ihrer eigenen Branche und hatte mich ursprünglich mit meinem Kreativpartner verwechselt. Es ist Fred zu verdanken, der die eigentliche Eminenz dahinter war, dass wir zusammengefunden haben.
Mir tut es heute noch immer leid, dass ich als CEO der BBDO Wien die Chancen der schon etablierten Dialogkommunikation und der aufblühenden Digitalkommunikation nicht erkannt hatte. Diese partielle Blindheit ist uns oft im Weg gestanden. Natürlich auch die durchaus unterschiedlichen Business-Strategien, über die sich Fred aus der Holding-Position und ich aus der Unternehmensführung nicht immer einig waren. Und als ich dann 2004 aufbrach, um mein neues Leben als Coach zu starten, war im Finale doch ein resoluter Anwalt für mich erforderlich, um einen fairen Abgang sicherzustellen. Fred und ich haben all das gut überstanden. Ein paar Jahre später ist er sogar mein Kunde geworden und ich durfte sehr persönliche Erkenntnisse über ihn gewinnen.
Obwohl Fred einmal zu mir gesagt hat, ich hätte das bessere Los von uns beiden gezogen, hatte er ausnahmsweise einmal unrecht. Ich hätte niemals die Jahre nach 2004 so aufrecht überstanden - in einer Branche, die so gebückt und unter einem solchen Verlust an Würde degeneriert ist. Fred war und ist geblieben der unzynische, aber sehr kritische Betrachter dessen, was ist und hat unerschütterlich immer nach dem noch Besseren gesucht. Das hätte ich nie geschafft. Nicht in diesem Biotop.
So habe ich gestern sowohl ins Vorgestern geschaut, als auch ins Morgen. Fred ist ein Teil von all dem. Und die handverlesene Schar der Gäste auch.
Und wie immer dachte ich mir am Heimweg: Schön, mein altes Biotop wieder aus der Nähe gesehen zu haben. Aber daheim bin ich wo anders.
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franz halmer (Freitag, 26 April 2019 20:47)
WORD!
Christa (Samstag, 27 April 2019 11:55)
Daheim bist du woanders, ich aber bin sehr froh, dass du mein Chef warst !
Wolfgang Froschauer (Montag, 29 April 2019 13:33)
Einige wahre Worte (Werte) gelassen ausgesprochen! Fein Hannes!