Normal.

Was ist schon normal? 

Die letzten eineinhalb Jahre haben uns jedenfalls im Eilverfahren verdeutlicht, was nicht normal ist. Sondern regelrecht krank.

All die unglaublichen Schweinereien, die der österreichischen Gesellschaft an allen Ecken und Enden angetan worden sind.

Mit atemberaubender Deutlichkeit sieht man die Erosion von Anstand und professionellen Mindeststandards beim ORF.

Noch eine Woche vor "Ibiza" verstiegen sich ORF JournalistInnen in schrecklichem Distanzierungs-Geschwurbel. Nach allen professionellen Standards ohne echte Not.

Und noch am Abend der Enthüllungen saß ein enteierter Chefredakteur im TV-Studio und wusste nicht, wohin sich das Blatt wenden würde. Bis dann am Samstag ein unüberhörbares Durchatmen möglich war und auch Journalisten, die von Türkis/Blau in die hintersten Versenkungen expediert worden waren, wieder in altem Glanz vor die Kameras durften. 

Das alles sollten wir niemals vergessen.

Und heute hat der beamtete Innenminister die allerschlimmsten Sauereien seines Vorgängers wieder rückgängig gemacht und ein echter Christlich-Sozialer hat das Schild "Ausreisezentrum" in Traiskirchen abmontiert. All diese unerträgliche Scheiße war zum alltäglichen Grundrauschen geraten.

Die Dauer-Ignoranz des Parlaments durch den Kanzler und seinen arroganten Vollstrecker im Präsidium. 

Das Drüberfahren über Volksbegehren. Die Gesprächsverweigerung mit Opposition und Sozialpartnern. Das unverhohlene Prahlen mit dem rücksichtslosen Einsatz einer Mehrheit.

Alles irgendwie "normal" in seiner grundlegenden Perversion. Ganz genau so, wie es in den grausamen Zeiten des Faschismus langsam, aber gnadenlos brutal begonnen hatte.

Und jetzt beginnt der Schleim zu triefen.

Jetzt kommen die Appelle an das "Gemeinsame", an die Verantwortung und die Stabilität. Wo wart ihr die ganze Zeit, ihr Lügner und Betrüger, als ihr geglaubt habt, auch den schlimmsten politischen Dreck durchprügeln zu können? Ihr habt ein ganzes Land in der Mitte auseinandergerissen. Familien und Freundeskreise einander entfremdet. Paranoia und Neid gezüchtet.

Jetzt wollt ihr Stabilität? Könnt ihr haben! 

Es muss jene Stabilität sein, die anständigen Menschen in diesem Land die Sicherheit gibt, dass ihr so schnell nicht wieder ans Ruder kommt. 

Je früher ihr weg seid von den Hebeln und Stellrädern, umso besser. Dieses Land wird die paar Monate bis zu einer neuen Regierung sehr gut auf Beamtenebene geführt werden können. DAS kriegen wir hin, hochverehrter Herr Bundespräsident!

Es müssen nun endlich wieder die Muskeln eines "normalen" politischen Anstands angespannt werden. Um dem Kanzler-Trainee und seiner Partie die Tür aufzuhalten, wenn sie den Ballhausplatz verlassen. So bald wie möglich. So lang wie möglich. 

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Kommentare: 6
  • #1

    Ulli (Donnerstag, 23 Mai 2019 23:39)

    Wunderbar formuliert (wie immer). Irgendwie hab ich seit dem Wochenende das Gefühl, als wären wir 1 vor 12 grad noch von der Schaufel gesprungen..

  • #2

    Christian (Freitag, 24 Mai 2019 00:17)

    Danke für Die Analyse und besonders für die beiden Schlusssätze!

  • #3

    Tanja (Freitag, 24 Mai 2019 07:31)

    Yes yes yes

  • #4

    Doris Koubek (Freitag, 24 Mai 2019 13:17)

    Ein sehr gut formulierter Artikel bzw, Beitrag. Bring alles auf den Pinkt.

  • #5

    edith (Freitag, 24 Mai 2019 17:30)

    hey, ich freue mich schon auf deine Beiträge, wenn wir Rot-Blau haben. Doskozil biedert sich schon an beim Kickl ��

  • #6

    Marion (Sonntag, 26 Mai 2019 14:21)

    Sehr gut durchdacht geschrieben lieber Hannes. Ohne den Bundesmaturanten wärs stabiler wie mit ihm, keine Frage.