Streng genommen ist die Regierung ja Teil der Exekutive, der Bundesverwaltung also.
Und Minister kommt aus dem Lateinischen und heißt "Diener". Eh. Is halt so.
Und das Parlament ist - ebenso streng genommen - die sogenannte Legislative, also das, was Kommentatoren gerne als den "Gesetzgeber" bezeichnen.
Ganz streng genommen hätten wir jetzt also eine Situation, die ganz dem Lehrbuch entspricht. Ein Parlament, das "im freien Spiel der Kräfte" seine Willensbildung entwickeln kann und eine Regierung, die mit ihren Verwaltungsbehörden umsetzt, was das Parlament beschlossen hat.
So. Ausgeträumt.
Natürlich geht das am über Jahrzehnte praktizierten Alltag gänzlich vorbei. Ich sag trotzdem: Gefallen würd's mir aber.
Also wollen wir uns fügen und die Existenz einer gestaltenden Regierung anerkennen. Und dieser Regierung auch was zugestehen.
Dass sie sich in Koalitionen zusammenfügen darf. Die dann über eine stabile Mehrheit im Parlament verfügen. Die sich über die wesentlichen politischen Gestaltungskriterien einig sind. Denn das ist es, was die Realverfassung ausmacht, geradezu vorschreibt: Dass die Regierung gestaltet und nicht verwaltet. Die Crux dabei: In diesem Modell bringt die Regierung Gesetzesintiativen und Regierungsvorlagen ins Parlament, die dann von den regierungstreuen Fraktionen durchgewunken werden. Das ist die Erbkrankheit des praktizierten Parlamentarismus, dass er zu einer Regierungs-Abstimmungs-Maschine verkommen ist. Und wenn dann ausnahmsweise der Club-Zwang aufgehoben ist oder nach Koaltionsbruch der bisherige Partner mit der bisherigen Opposition mitgeht, ist der Bär los. Dabei passiert nichts Anderes als prinzipieller gelebter Parlamentarismus.
Es kommt halt "nur" darauf an, was man höher wertet: Parlament oder Regierung.
Die Chance, die sich jetzt auftut, eröffnet sich auf mehreren Feldern zugleich:
Die Beruhigung der Gemüter, die durch konsequentes Drüberfahren und die Planierraupe fester Mehrheiten schon sehr angespannt waren.
Das freie Spiel der Kräfte, die sich auf etwas einigen müssen, das vorher am Koalitions-Beton zerschellte.
Der zeitlich befristete garantierte fachliche Sachverstand, der von politischen Emporkömmlingen sträflich malträtiert worden war.
Was fehlt: Der politisch-ideologische Gestaltungswille, der aber nur dann seinen Wert bekommt, wenn er die Interessen der Minderheit zumindest ansatzweise respektiert.
So lasset uns durchatmen. Zu Kräften kommen. Zuversicht regenerieren. Und unsere Sinne schärfen.
Zum Beispiel dafür, dass uns kein Politiker davonkommen darf, der uns wieder damit abspeisen will, allfällige Koalitionen würden erst geschlossen, nachdem "der Wähler" gesprochen hätte.
Nein. Die Wähler haben ein Anrecht, zu erfahren, was mit ihren Stimmen geschieht.
Auf dieser Basis sollen sie ihre Wahl treffen.