Vor ein paar Monaten hab ich schon einmal den Gedanken gewälzt, dass das letztgültige Entscheidungskriterium bei Wahlen das Menschenbild der Kandidatinnen sein sollte.
Es gibt sehr präzise Auskunft, ob und in welcher Form sich die Galionsfiguren der Parteien mit dem eigenen Mensch-Sein beschäftigt haben.
Das "Erkenne Dich selbst" gehört zu den schwersten Übungen der menschlichen Reife und wird oft nicht durch meditative Übung, sondern durch realen Schmerz, den Umgang mit Niederlagen und die Kontrolle der Hybris im Sieg betrieben.
Es könnte durchaus etwas über eine Person aussagen, ob sie imstande ist, den Verdacht zuzulassen, dass der andere Mensch auch recht haben könnte.
Es ist immer wieder hilfreich, zu überprüfen, ob jemand in der Lage ist, sich wirklich empathisch den Schmerz und die Verzweiflung vorzustellen, die das eigene Handeln bei anderen hervorruft.
Und es bleibt immer spannend, wie gut es jemandem gelingt, aus dem sogenannten analogen Denken - also der Direttissima von A nach B - umzusteigen in das laterale Denken - beispielsweise den Schwung von F nach R. Also das Denken und Fühlen in Konsequenzen über den nächsten Tag hinaus.
Mehr als nur das Verfolgen eines vielleicht durchtriebenen Masterplans, sondern das
Be-Denken der Folgen einer rigiden Vorgangsweise.
"Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende."
Das alles sind keine Kreuzworträtsel-Klugscheißereien, sondern Erkenntnisse, die einem das Leben schenkt, wenn man bereit ist, diese Geschenke anzunehmen.
Vielleicht bietet der Sommer die Gelegenheit, die Wahlwerber auf ihre Fähigkeit abzuklopfen, genau diese Parameter in ihr Denken und Handeln einzubeziehen.
Denn spätestens bei der nächsten Krise wird deren An- oder Abwesenheit über Wohl und Wehe entscheiden. Vielleicht nur von Einzelpersonen. Vielleicht vom ganzen Land.
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Hermann Schindler (Dienstag, 11 Juni 2019)
Ich mag diese Gedanken. Denn die Kandidaten bilden auch etwas von der Partei und deren Grundgedanken ab, für die sie stehen.