Vor einigen Jahren hatte ich immer wieder schwierige Situationen, weil mich der bildungsbürgerliche Eifer von manchen meiner damaligen Verwandten so nervte.
Sie wussten alles. Und das auch noch besser.
Ich hatte ein Projekt in Bukarest - 2 Tage pro Woche, monatelang - und sie wussten genau, wie es dort ist. Ohne jemals dort gewesen zu sein.
Einmal war es mir zu viel geworden und ich bezeichnete die Wissensakrobaten als "bildungsbürgerliche Masturbanten" - zum schockierten Gaudium meiner damals halbwüchsigen Tochter Hannah.
Dann habe ich mich in Kreisen aufgehalten, die sich einen Sport daraus machten, sich an Opern-Aufführungen verschiedenster Dirigenten, Regisseure und Interpreten geradezu aufzugeilen. Nicht, ohne die weniger Bewanderten mit einem gerüttelt Maß an Abschätzigkeit abzustrafen.
Dann gibt es natürlich noch ungezählte andere Optionen, sich gegenseitig der Zugehörigkeit zur Krone des Abendlands zu versichern: Literatur, Naturwissenschaft, Sprachen, Geografie, Kulinarik, Philosophie...
Alles, wirklich alles, großartige Gebiete des Genusses und der Beflissenheit.
Und doch glaube ich immer heftiger daran, dass die Kenntnis der Geschichte und der Philosophie zu einer einerseits immer schrumpfenderen, andererseits immer wichtigeren Grundausstattung des modernen Menschen gehört.
Nur dann ist gesichert, dass die Bildungslücke nicht zum dominanten Modus wird. Nur dann können verantwortungslose Spin-Mechaniker in die Schranken gewiesen und rasch widerlegt werden. Nur dann hat die Aufklärung eine reale Chance, nicht vom Halbdunkel des ungefähren Wissens umnachtet zu werden.
Natürlich muss jetzt bei einem wie mir der obligate "rote" Schluss-Satz kommen.
Es ist ein "roter" Schluss-Satz, weil er leider so schmerzlich aus der nicht-roten Ecke vermisst wird. Kreisky - legendär - zum ORF-ORF-Journalisten Ulrich Brunner: "Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur!"
Dagegen wirkt der ebenfalls legendäre Satz des schwarz/türkisen Hüters des Abendlands - Andreas Khol - "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit" irgendwie ein bissi dünn.
Kommentar schreiben