Zeitsprung.

Wie einfach waren doch die Zeiten, als man gut und sicher durchs Leben kam, weil man genau wusste, wo man hingehört. Und weil man ein gut abgesichertes Feindbild in sich mittragen konnte, das einem immer klipp und klar anzeigt, wo der Zaun steht und wo man nicht hinsoll.

In meiner Kindheit und Jugend war das so. Konservativ bis reaktionäre Eltern, brave Christlich-Soziale ohne Kirchgang. Gleichzeitig strikte Antifaschisten und jedem Rassismus und Antisemitismus gegenüber knallhart abgegrenzt.

Allerdings: Die Sozis, die Sozis konnten sie einfach nicht leiden. Die standen für Enteignung, für den Drall in den Kommunismus (ganz besonders 1966, als die Kommunisten eine Wahlempfehlung für die SPÖ ausgesprochen hatten), für ausgschamte Arbeitnehmer-Ansprüche, für schlechtes Benehmen und ganz allgemein für eine grundlegende Unverschämtheit.

"Hüte Dich vor dem Neid der Besitzlosen!" hatte meine Mutter immer mit einem guten Quantum Pathos in der Stimme gepredigt. Und dann habe ich zur Firmung eine sauteure Omega Seamaster in Gold bekommen. Aber tragen durfte ich sie nicht - denn der Neid der Besitzlosen würde wohl zu augenblicklichem Raub des Kleinods führen.

Mit 17 war ich dann Schulsprecher und Mitglied in der Jungen ÖVP und stellvertretender Landesobmann in der Union Höherer Schüler. Der spätere Präsident des oberösterreichischen Landesschulrats - Fritz Enzenhofer - war der Obmann. 

Ich war stramm auf Parteilinie, strammer noch, als meine Kollegen in der UHS.

(Der spätere Landeshauptmann Josef Pühringer war der Obmann der JVP und war manchmal selbst verblüfft über meine strenge Auslegung der Ideologie.)

Das Feindbild funktionierte - nur die Sprache des Herzens konnte es überwinden.

Ganz besonders bei einem meiner ältesten Freunde, mit dem mich noch heute große Verbundenheit zusammenschweißt. Er war durch seine Familie "rot" sozialisiert, was uns aber nicht daran hinderte, sehr viel Spaß miteinander zu haben. 

Dann das Studium (Politikwissenschaft und Publizistik) in Wien. Dann der krass erweiterte Horizont. Der Austritt aus der Jungen ÖVP. Das Driften nach Links und das Aufatmen in einer sehr viel weltoffeneren, großherzigeren und sozial verantwortungsbewussteren Welt. Was für ein Unterschied zum kleinen Karo der Kerzerlschlucker und auch zum Schnöseltum des alten und neuen Geldes. 

So um die 40er-Jahre meines Lebens kam der große Genuss. Eine souveräne Leichtigkeit im Umgang mit den eigenen Werten, die von Humanismus, Aufklärung und sozialer Gerechtigkeit durchdrungen waren, ohne den Wert von Leistung und Engagement gering zu schätzen. Und zugleich eine sehr angenehme Beweglichkeit mit gut fundierten Christlich-Sozialen, mit denen ich angenehm und intellektuell anspruchsvoll diskutieren konnte. Auf Augenhöhe, mit Respekt und durchaus auch immer wieder mit wechselseitigen "Geländegewinnen" ohne Aufgabe der jeweiligen Essenzen. 

Eine liebevoll-strenge Begleitung meist älterer Freunde, denen die allgemeine Menschenliebe ein persönliches Anliegen war und ist, wurde mir quasi als Draufgabe noch geschenkt.

Dann kam der intellektuelle Niedergang der Sozialdemokratie und zugleich eine Radikalisierung der Christlich-Sozialen inklusive deren Bereitschaft, "im Stress nach rechts zu kippen" (Zitat: Bernhard Görg). 

Da waren sie wieder, die Feindbilder. Rechts ist schlecht, weil ständig infizierbar mit Faschismus. Links ist weg, weil intellektuell abgehaust, konzeptionell armselig und menschlich arrogant und dröge geworden. 

Und jetzt bedroht mich die Vereinfachung. Die gnadenlose Reduktion von wertvollen Facetten auf Parolen. Der gewissenlose Umgang mit widerlichen Methoden der kommunikativen Manipulation und die ebenso gewissenlose Ignoranz, sich nicht gegen diese Manipulationen zu wappnen und dagegen anzuhalten.

Die Feindbilder von damals. Reflexartiges Hinkeifen. Verbeißen im gegnerischen Wadl. Nicht einmal mehr ganze Sätze lesen, sondern sofort losschlagen. Wie beim Bundesheer: Zuerst in den Busch hineinschießen und dann fragen: Halt, wer da?

So sind wir alle verkommen. 

Nur eines ist ganz gewiss keine Option: Auch die andere Backe hinzuhalten.

Denn das würde eine Menschlichkeit auf hohem Niveau auf allen Seiten verlangen. 

Und genau davon dürfen wir nicht mehr ausgehen.

Das resolute Eintreten für das Wahre, Gute und Schöne muss durchgehalten werden.

Sonst gewinnen die Lüge, die Schlechtigkeit und die Hässlichkeit. 

 

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