(Wechsel)Wirkungen.

Jetzt ist ungefähr die Halbzeit zwischen dem unrühmlichen Ende der türkis/blaunen Regierung und den Neuwahlen Ende September. Für Menschen wie mich eine Zeit des Durchatmens und der Erleichterung, dass zumindest für ein paar Wochen das unselige Stakkato erbärmlicher und niederträchtiger Anschläge auf die Menschlichkeit und die Vernunft aufgehört hat. Aber auch eine Zeit, in der die Demokratie und der Rechtsstaat wieder ab und zu ihre stolzen Häupter erheben und in der unfassbare Machenschaften ans Licht der Öffentlichkeit geraten, die sonst wohl im engen Maschendraht der Message Control hängen geblieben wären. 

Was mich dabei - als Systemiker - so intensiv beschäftigt: Wie sehr bedingen einander Verfasstheit und Verführung der beiden bisherigen Regierungspartner? Wie und in welcher Form löst das Verhalten des einen Teils einen Tsunami der Niedertracht beim anderen aus?

Ich war schon immer sehr sicher, dass die faschistische DNA der FPÖ und die tiefe Aversion gegen historische Wahrheiten und vor allem gegen die Scham über die historische Unerträglichkeit des Nationalsozialismus etwas ist, das bei allen, die mit ihr gemeinsame Sache machen wollen, eine ganz bestimmte Reaktion auslöst.

Nämlich so etwas wie das Hervorholen der eigenen Schlechtigkeit. Das Triggern von mühsam niedergehaltenen politischen Unkorrektheiten und moralischen Sauereien, die nun - in unheilvoller Gesellschaft der politischen und moralischen Parias - plötzlich und immer mehr salonfähig werden. 

Wenn eine Partei - egal welche! - in die verderbte Gesellschaft der FPÖ gerät, brechen die Dämme. Die SPÖ demonstriert diesen Effekt auf schwer erträgliche Art besonders plakativ im Burgenland, wo der Landeshauptmann von Gnaden der FPÖ nichts dabei findet, die Verfassung zu vergewaltigen und die Präventivhaft einführen möchte.

Die ÖVP - oder das, was von ihr nach türkisem Re-Branding übrigblieb - hat zwei wesentliche Druckpunkte, die bei entsprechender faschistoider Reizung rasch reagieren. Hierzu zwei Zitate von ehemals schwarzen intellektuellen Urgesteinen.

"Wenn die ÖVP panikt, kippt sie nach rechts." (Bernhard Görg)

"In mir wohnen 2000 Jahre vatikanischer Intrige." (Ernst Wolfram Marboe)

Genau das ist dann der Nährboden der ÖVP, auf den jene Reize fallen, die von einer ethisch völlig unbekümmerten FPÖ ausgesendet werden.

Die Panik, wegen jahrzehntelanger Unfähigkeit, das eigene reaktionäre Programm durchzusetzen, endgültig aus der Regierung zu kippen.

Die Intriganz, genau dieses Kippen durch Wortbruch und Hinterzimmerpolitik zu verhindern.

Durch Kurz und seinen schwer erträglichen messianischen Anspruch sind erschwerend noch ein paar weitere Faktoren dazugekommen.

Der tiefsitzende Hass gegen alles "Sozialistische", denn die sind/waren es ja schließlich, die chronisch und notorisch die Reise nach Retrograd ver- und behinderten.

Die sich immer peinlicher auftuende Bildungslücke der türkisen Yuppies, die völlig frei ist von historischem Wissen und von grundlegender politischer Ethik. Das - aus Sicht der Akteure - Wunderbare: Wer nichts weiß, muss sich keine Gedanken machen, in welchem Fettnapf er sich grade wieder suhlt. Der spürt nur die wohlige Wärme des Gallerts um sich herum und hält das alles dann für angemessen.

Schließlich kommen bei beiden Parteien die Identitätswechsel von der Partei zur Bewegung hinzu. Ein Unterschied, der Führerkult und Anbetung regelrecht potenziert.

Halb zog sie ihn, halb sank er hin - schrieb schon der alte Herr Geheimrat aus Weimar

und genau so reagieren die beiden Bewegungen, die es mittlerweile auch keine Mühe mehr wert finden, ihre antidemokratischen Ambitionen zu verkleiden. 

Dass sie das Land genau überhaupt nicht modernisieren, sondern mit einer unverschämten Unbekümmertheit im Rad der Geschichte zurückdrehen wollen und sich dabei auch noch auf das Schamloseste bereichern, scheint einer Mehrheit derzeit immer noch ziemlich wuascht zu sein. Und dass die bisherige Opposition - ganz vorne dabei die SPÖ - bis zur Selbstdemontage unfähig ist, aus diesem Desaster Kapital zu schlagen, ist wohl das einzige, das man den Klerikal-Faschisten nicht vorwerfen kann.

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Kommentare: 1
  • #1

    Marion (Sonntag, 21 Juli 2019 15:53)

    Ja wir können nur kurz verschnaufen, im Oktober geht's wieder weiter mit diesem selbstverliebtem Praktikanten. Immer wieder stoße ich auf Menschen, die ihn wählen werden. Deren einziges Argument ist, dass der Super basti verhindern will, dass der Sozialstaat ausgenutzt wird, das finden alle so toll. Die wollen auch keine gegenargumentation hören. Das erlebe ich schon zum xten mal. Deshalb musste ich jetzt schreiben.