Abstand.

Seltsam. Was man alles braucht, um das zu kapieren, was man längst weiß.

Seit ein paar Tagen halte ich Abstand zu Facebook. Schreibe nix, kommentiere nix, lass mich ab und zu zu einem Like hinreißen oder - noch ungewohnter - schau gar nicht rein.

Seltsam. Irgendwie bin ich in exquisiter Gesellschaft. Florian Klenk und Peter Rabl haben von Twitter genug und legen eine Pause ein.

Sehr unangenehm. Was ich längst weiß, fällt mir jetzt umso schmerzhafter auf. 

Die Menschen sind nicht mehr dazu bereit, umfassend und sinnerfassend zu lesen. 

Die Kommentarspalten quellen über von sinnentleerten Wortspenden, die drei Stufen weiter oben schon jemand anderer abgeladen hatte. Oder es genügen schon kleine Wort-Köder und die gedankliche Kiefersperre setzt ein. 

Neulich habe ich - nur als Beispiel! - die Vermögenssteuer erwähnt, wegen der ein lebenslang resistenter Nicht-Rot-Wähler nun weiterhin nicht die SPÖ wählen wird. 

Ich hätte auch Mülltrennung nehmen können oder 0,5 Promille beim Autofahren. Wuascht.

Prompt entbrennt eine Diskussion über die Vermögenssteuer in meiner Timeline.

So schade. Pawlowsche Reflexe. 

Aus dem untersten Unterbewusstsein.

Keulenhiebe aus dem gesellschaftlichen Neanderthal. 

Seltsam. Schwer. Kaum nachvollziehbar. 

In der Facebook-Gruppe unserer Hausgemeinschaft werden seit einem halben Jahr wöchentlich die gleichen Fragen gestellt und immer wieder gleich beantwortet. Wo finde ich ..., wie funktioniert eigentlich..., wer hat wo ..., darf man eigentlich..., ...

Immer die gleichen Themen. 

Weil sich niemand mehr die Mühe macht, 

ein paar Zentimeter runterzuscrollen und nachzuschauen, was es zu den Standard-Themen schon alles gibt.

Die sogenannten "sozialen Medien" sind in Wahrheit lost in translation. Korrekt übersetzt heißen social media ja "gesellschaftliche Medien" und das stimmt ja auch sehr viel mehr, weil sie das gesellschaftliche Nirwana abbilden und alles andere als "sozial" sind.

Aber was ist schon "sozial", seit die FPÖ diesen Begriff für sich beansprucht...

Nun finde ich langsam zur ursprünglichen Absicht meines Blogs zurück.

Mit einer handverlesenen Schar von Menschen in den Austausch zu treten.

Schön, dass es Euch gibt! 

Fühlt Euch umarmt! 

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Kommentare: 5
  • #1

    Franz Halmer (Dienstag, 03 September 2019 14:01)

    FB Abstinenz hilft Dir gar nix - ich finde Dich ;-)

  • #2

    Andreas Baum (Dienstag, 03 September 2019 16:00)

    Mein innerer Pawlow umarmt zurück!

  • #3

    Christa Erhardt (Dienstag, 03 September 2019 16:09)

    Schön, dass es dich gibt, lieber Hannes �

  • #4

    Marion Mrs. Soon (Dienstag, 03 September 2019)

    ich denke, weil viele schon aufgegeben haben und müde geworden sind. Aber zum Glück gibts dich Hannes, du entfachst immer wieder die Kämpferherzen.

  • #5

    Christian (Dienstag, 03 September 2019 23:11)

    ...Du hast so recht mit dem sinnentnehmenden Lesen... geschweige denn mit der zumindest partiellen intellektuellen Erfassung der gegenwärtigen Situation (gesellschaftlich, politisch, im Hinblick auf Umwelt- und Ressourcenthemen,...).

    Der Hut brennt lichterloh und die Feuerwehrmannschaften beginnen nicht zu löschen, weil sie miteinander erst per Schlägerei ausverhandeln müssen, wer vor x Jahren einmal den Maibaum der einen FF gestohlen hat und wer dem Kommandanten der anderen FF irgendwann einmal das Mädel ausgespannt hat...

    Wenn die Situation nicht die unendlich grotesken Züge eines ins Unermessliche extrapolierten Herzmanovsky-Orlando'schen Dramoletts hätte, dessen Absurdität und Outrage man, mit offenem Mund und wie in Trance ganz langsam den Kopf schüttelnd, völlig verblüfft folgt, und wenn man nicht den Funken einer Hoffnung auf einen gnädigen Ausgang dieser gesellschaftspolitischen Geisterbahnfahrt in sich trüge; man müsste sich glatt einen Selbstmord überlegen, bevor der wie ein rußiger Germteig wuchernde Mob wie eine klebrige Gewitterwolke über einen herfällt und einen geifernd mit faulen Zähnen (und Bier- sowie FPÖ-Fahne) - zumindest verbal - zerstückelt...

    langsam erinnert mich mich unsere Gesellschaft an jene in >Fahrenheit 451<... nur dass eben einstweilen Lesen&Verstehen noch nicht bei Todesstrafe verboten ist.

    Wir könnten eine Gemeinschaft der Alphabeten gründen und irgendein Zeichen am Revers tragen, das uns als inkompatibel mit der Welt der Konsumbewusstlosen und Gesinnungstrolle ausweist. Und wir sollten es mit Stolz tragen...

    So schade um die Errungenschaften der Aufklärung, die wir so fest in unserer Gesellschaft verankert geglaubt haben... Aber die Oberfläche der Zivilisiertheit ist so dünn wie Milchhaut...