Entmündigung.

Vor einigen Jahren lag eine 95-jährige Frau mit 9 anderen sehr alten Frauen in einem Krankenzimmer. Es ging ihr sehr schlecht und ihr Denken funktionierte nicht mehr zuverlässig. 

Sie hatte ein arbeitsreiches Leben geführt und so mancher Schmerz hatte sie auch an Stellen ihrer Seele hart werden lassen, die eigentlich weich und empfindsam hätten sein sollen. 

Ihr Mann war im Krieg gefallen. Sie hatte zwei kleine Kinder großzuziehen. Beiden ermöglichte sie eine gute Schulausbildung.

Bis zu ihrem 75. Lebensjahr spielte sie als Geigerin in großen Theaterorchestern - dann hatten ihre Hände den Dienst verweigert.

Nun lag sie in ihrem Krankenbett, ihre Füße waren verkrümmt wegen der langen Bewegungslosigkeit und sie fand keinen Schlaf, weil die anderen Patientinnen schrien und stöhnten. 

Da sagte ich zu einem der Verwandten, der wie ich am Bett stand: "Lass uns zusammenlegen. Dann zahlen wir der Oma den Aufpreis für ein Sonderklassezimmer und sie kann sich endlich ausruhen." Antwort des christlich-liberalen Leistungsträgers: "Kommt nicht in Frage. Hätte sie sich halt rechtzeitig um eine Zusatzversicherung gekümmert."

Der selbe Zorn, der damals in mir aufstieg, fährt auch heute durch mich durch, wenn ich die Parolen von der Eigenverantwortung höre und die Anwürfe, die Sozialdemokratie würde die Menschen entmündigen.

Dieser darwinistische Vorwurf ist grausam, unsozial und unmenschlich.

Bekämpft in Gottes Namen die Missbräuche mit jeder vorstellbaren Konsequenz.

Aber die Diskriminierung einer ganzen Idee ist und bleibt für mich unerträglich. 

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