Brucknerhaus.

Gestern waren wir im Brucknerhaus in Linz.
Ein eindrucksvolles Gebäude an der Donau, dem trotz einschlägigen Baujahrs die typischen Gestaltungssünden der 70er Jahre erspart geblieben sind.

Am Programm stand das Herbert Pixner Projekt - zum ersten Mal begleitet von den Berliner Symphonikern.
Für uns als dedicated Pixner-Fans war es eine heißersehnte Wiederbegegnung mit den wunderbaren Virtuosen an der Harfe, diversen Gitarren, Holz- und Blechblasinstrumenten, Akkordeons und natürlich auch dem Kontrabass.

Gänzlich frei von jenen für uns schwer verdaulichen Melodien und Texten, bei denen man an "rotkarierte Hemden" (Herbert Pixner) denken muss. 
Ergänzt, begleitet, gepolstert, geweitet, vertieft und auf wunderbare Weise von gegenseitigem Respekt geschmückt durch die künstlerische Partnerschaft mit den Berliner Symphonikern.
Manchmal superknapp grade noch vorbei am kitschigen Zuckerguss, meist kongenial auf gemeinsamem Terrain.

Während wir sehr nah an den Musikanten saßen, verwöhnte uns das Brucknerhaus mit seiner berühmten Akustik. Einmal, als die Celli so richtig in ihrem Element waren, hatten wir das Gefühl, als würde ein Schwarm von Cello-Hummeln direkt über unseren Köpfen mit den Flügeln rotieren.

Der Raum des großen Saals entführte mich zu Erinnerungen, die bis zu 45 Jahre zurückliegen.
Vor allem zu den großartigen Ballveranstaltungen in den 70ern und frühen 80ern.

Techniker-Redoute, Bürgerball, Uni-Ball.
Das Orchester des Alt-Meisters Duchatschek, ohne das die klassischen Tänze undenkbar waren.

Das Flanieren in der wunderbar breit angelegten inneren Promenade mit direktem Blick auf die in der Ballsaison manchmal  eisglitzernde Donau.
Die fürchterliche Kulturschande des Sekt-Orange, zu der ich mich damals noch hinreißen ließ.
Die Flirts. Das fassungslose Bewundern all der Schönheiten und der Genuss der Damenwahl bei der Techniker-Redoute, wo mich ein gnädiges Schicksal mit ausnahmslos sehr attraktiven Tänzerinnen verwöhnte. Zwei Romanzen, die im Brucknerhaus begannen.

Die schon damals unbeschwerte Leichtigkeit, mit der ich einen Smoking anzog und die mir auch heute noch ein beschwingtes Schweben verschafft, wenn der Frack gut sitzt.
All das war wieder da.

Schwebend auf dem Klangteppich einer Musik, die so eigenständig wie eingängig ist.

Als quasi "natürlicher" Gegenpol im benachbarten Hotel die Erinnerung an berühmte Oberösterreicher. Anton Bruckner und Adalbert Stifter - beide mit der typischen Schwere und Schwermut aus der Heimat des Granits. Aber auch Johannes Kepler, dessen Geistesgröße sich bis zu den Gestirnen erhob und dessen Name zurecht der Universität zur Ehre gereicht.

Und: Als "Pflichtveranstaltung" die mittägliche Einkehr im Klosterhof und das Wiedersehen mit meinem liebsten Schulfreund Christian.
(Als "Pfiff" im "Hungry Heart" gewürdigt.)
Die unverwüstliche Gediegenheit des "gutbürgerlichen Wirtshauses" mit dunkel gebeizten Verschalungen, der klassischen Speisekarte und dem einzigartigen Gastgarten mit den uralten Kastanienbäumen.
Nur das traditionelle Aquarium mit den Forellen und Karpfen hat offensichtlich irgendeiner Vuaschrift weichen müssen.
Überall die Erinnerung an ungezählte Sonntage mit Bruder und Eltern. Sogar das Spielzeuggeschäft auf der Landstraße - als Magnet auf der Strecke zum geparkten Volvo des Vaters - gibt es noch.

Versöhnliche Impulse mit einer Geschichte, vor der ich vor über 40 Jahren geflohen bin. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marion (Dienstag, 29 Oktober 2019 12:09)

    sehr wirksame Medizin lieber Hannes!