Dieser Text könnte unter Predigt-Verdacht geraten. Das Gegenteil ist seine Absicht.
In vielen Gesprächen mit meiner Frau und anderen mir nahen Menschen habe ich in den letzten Wochen erstaunt festgestellt, wie wertvoll das "Miteinander-Reden" sein könnte - wenn man es tut.
Bei meinen "historischen" Hilfsdiensten für das große Buch meiner wunderbaren Frau habe ich verblüfft festgestellt, dass ich noch weniger über meinen Vater weiß, als ich mir schon eingestanden hatte.
Als mein Vater 1946 als 20-Jähriger aus der Kriegsgefangenschaft nach Linz kam, konnte er wenige Tage später seinen Job in der selben Firma starten, in der er auch in Pension ging. So viel weiß ich. Aber ich habe keine Ahnung, wie er jene 10 (!) Jahre verbrachte, bis er meine Mutter kennenlernte. Das ist immerhin die Zeitspanne zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr, in der sich bei vielen Menschen eine ganze Menge abspielt.
Ich habe meinen um 14 Jahre älteren Cousin gefragt. Auch dessen Wissen um diese Periode ist dürftig.
Ich hätte meine liebe Schwiegermutter fragen können. In den eineinhalb Jahren, die wir gemeinsam hatten. Immerhin hat sie ihre Kindheit und Jugend in seiner nächsten Nähe verbracht. Ich habe sie nicht gefragt, weil mir ihre Existenz als Mutter wichtiger war.
Ich habe vor allem meinen Vater selbst viel zu wenig über sein Leben befragt. Was ihm wichtig war, wofür er brannte, was er hasste.
Heute bin ich auf Spekulationen angewiesen und auf das, was ich mit fremder Hilfe aus meinem Unterbewusstsein geholt habe.
Statt einer Predigt: Ich glaube, wir sind als Menschen existenziell davon abhängig,
dass wir kommunizieren. Miteinander.
Face to Face. Nicht elektronisch.
Nicht über Emojis.
Wir sollten wissen, wie die anderen riechen, damit wir erkennen, ob wir einander riechen können.
Wir sollten uns mehr Fragen stellen.
Andere Fragen, als gewohnt.
Wir sollten uns Antworten geben.
Andere, als die üblichen Schablonen.
Wir sollten zuhören.
Zuhören - nicht, um die nächste Einstiegsluke für unsere Replik abzuwarten.
Sondern, um zu lernen. Voneinander.
Um uns kennen zu lernen.
Als ich neulich in einem Restaurant auf meine Tochter wartete (Ich war zu früh dort, nicht sie zu spät - damit da kein falscher Eindruck entsteht 😊), da saß am Tisch gegenüber ein älteres Ehepaar. Schweigend.
Und es war leider nicht jenes Schweigen,
das in vielen langjährigen Beziehungen auf großer Vertrautheit aufbaut. Im Gegenteil.
Ich hatte das Gefühl, den beiden waren die Worte ausgegangen.
Schließlich nahm "er" eine Zeitung, um darin zu blättern. Ich sehe noch "ihr" fassungsloses Gesicht. Bis sie ihr Handy aus der Tasche nahm und anfing, auf irgendeiner Seite zu scrollen.
Ich möchte nicht so werden. Und ich werde nicht so werden.
Wenn wir aufhören, miteinander zu reden,
verlieren wir den Zugang zueinander.
Dann übernimmt die Spekulation das Ruder.
Und sperrt uns in die Komfortzone des Vorurteils.
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