Freiwurf.

Der Bub war - kaum, dass er gehen konnte - immer schon größer gewesen, als seine Alterskollegen.

Die Schnelligkeit seines Wachstums hatte seinem Körper eine gewisse Schlaksigkeit aufgedrängt, die streckenweise cool wirkte, ihm manchmal aber auch eine Aura der Unbeholfenheit verlieh.


Er war kein Kämpfer. Mit seinem Papa am Boden herumbalgen - das wollte er gern. Aber mit robustem Auftreten seinem Anliegen Durchsetzung zu verleihen, war seine Sache nicht.

Ab und zu ein kleiner Schalk oder sogar eine wohlplatzierte Boshaftigkeit, da blitzte auch das Erbe seines Großvaters durch. 


Da, wo er wohnte, in der kleinen Stadt im Speckgürtel, gab es einen Basketballverein. 

In ganz Österreich bekannt.

Der Vater meinte, bei seiner Größe und seinem Ballgefühl würde der Junge ideal zu diesem Sport passen. 


Der Junge ging trainieren. Er übte Werfen. Er lief schnell. Was ihm vollkommen fehlte, war der Wille für den Kampf um den Ball. 


Dann war dieses Turnier. Es ging um viel. Die Mannschaft des Buben war im Finale. Ein ständiges Hin und Her. Knappe Führungen einmal da und einmal dort. Der Junge lief. Die ganze Zeit. 

Immer an der Outlinie entlang, immer mit seiner Mannschaft. So, als wollte er eine imaginäre Grenzlinie ziehen.


Sein Vater war bei den Zuschauern und wunderte sich. Wie lange würde der Trainer bei diesen knappen Kräfteverhältnissen den "Mitläufer" noch im Spiel lassen?


Schließlich, wenige Sekunden vor Spielende ein gegnerisches Foul. Freiwurf.

Der Trainer nimmt den Ball und drückt ihn dem schlaksigen Jungen in die Hand. Sichtbares Protestgemurmel der Mitspieler. 


Der Junge geht zum Wurfmal. Er wirkt so ruhig, als wäre er unter Drogen gesetzt.

Er lässt den Ball genau einmal am Boden aufpoppen.

Dann steht er da. Die Sporthalle ist still.

Langsam hebt er beide Arme und wirft - so, als würde er dem Ball nur einen kleinen Schubs verpassen. In Slowmotion segelt die Kugel Richtung Korb und senkt sich hinein. Ohne auch nur den Ring berührt zu haben.


Der Junge steht da. Regungslos. Er schaut zur Tribüne. Dort flippt sein Vater aus. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Christa (Sonntag, 16 Februar 2020 15:49)

    Wunderbar. Und das sein Vater ausgeflippt ist, kann ich mir sehr gut vorstellen �

  • #2

    Marion (Sonntag, 16 Februar 2020 17:35)

    In der Kürze super Spannung. Man möchte weiter lesen. Immer sehr schön geschrieben Hannes