Türkis: Wir misstrauen dem Menschen grundsätzlich. Weil wir von uns selbst wissen, wozu er imstande ist.
Deshalb brauchen wir strenge Kontrollen und harte Regeln. Unser Grundsatz: Jeder für sich und Gott für alle.
Wenn wir selbst bescheissen, gibt es - nur für uns! - ausreichend Ausnahmen.
Oder: Wir vertrauen dem Menschen und seinen grundsätzlich guten Absichten. Wenn wir kontrollieren, dann nur, um die schwarzen Schafe auszusortieren. Wir stellen die Solidarität über das
Eigeninteresse. Das ist kein Widerspruch zum Wert persönlicher Leistung.
Türkis: Wir geben ganz unbekümmert ein Bekenntnis zur Gleichheit der Chancen für alle ab. Denn wir wissen, dass die Gesellschaft und ihr uraltes Regelwerk schon dafür sorgen werden, dass
Bildung und Wohlstand vererbt werden. Und vorsichtshalber betonieren wir die Gymnasien ein und verhindern die gemeinsame Schule der 10 bis 14-Jährigen.
Oder: Wir haben uns jahrzehntelang in eine schwarz-türkise Falle locken lassen. Jetzt haben wir endlich verstanden: Es soll und kann die Gymnasien geben. Wer seine Kinder dorthin schicken
will: Gerne! Gleichzeitig sorgen wir für eine flächendeckende Ausstattung mit gemeinsamen Schulen und machen unsere Kinder PISA- und zukunftsfit.
Türkis: Erben muss steuerfrei bleiben. Das ererbte Geld wurde schon einmal versteuert. Hände weg von Omas Sparstrumpf.
Oder: Erben ist keine Leistung. Wir bekennen uns konsequent zum Leistungsprinzip. Leistungsloses Einkommen bis zu einer sehr großzügigen Obergrenze bleibt trotzdem steuerfrei. Nur die ganz
reichen Omis und Opis kommen dran.
Dazu stehen wir und drucksen nicht weiter herum.
Türkis: Geschichte - und ganz besonders die österreichische nach 1918 - muss endlich einmal in die Archive verräumt werden.
Im speziellen das, was die Historiker "Austro-Faschismus" nennen. Unseren Dollfuß lassen wir uns nicht anpatzen.
Zum "Ausgleich" geben wir Bekenntnisse gegen den Antisemitismus ab und hoffen, dass wir damit unsere Sehnsucht nach der FPÖ kaschieren können.
Oder: Der Austro-Faschismus ist eine ganz finstere Periode österreichischer Geschichte und Dollfuß ist ein Arbeitermörder. Wir grenzen uns resolut vom Marxismus ab, er hat die
Sozialdemokratie in die Unbeweglichkeit und den Dogmatismus geführt. Wir bestehen aber auf einer unbefristeten und schonungslosen Aufarbeitung der österreichischen Geschichte und dem Anteil
unserer Vorfahren an Krieg, Rassismus und Holocaust.
Türkis: Auch wenn Mock unser märtyrerhafter Säulenheiliger beim Beitritt in die EU ist (und wir zünden brav unsere Kerzerln an seinem Altar an) - die EU als superpraktisches Feindbild
lassen wir uns nicht nehmen. Wir genießen ungeniert die Vorteile, aber lassen nicht locker, regelmäßig auf die Nachteile hinzuweisen. Und wenn wir grad keine finden, dann erfinden wir schnell
welche.
Onkel Orban macht´s uns vor.
Oder: Wir waren die letzten, die auf den EU-Zug aufgesprungen sind. Darauf sind wir nicht gerade stolz. Dafür sind wir jetzt wirklich überzeugte Europäer und wollen alles tun, dass die EU
endlich zu einer gemeinsamen Haltung zum Flüchtlingsthema findet. Einer Haltung, die von prinzipiellem Humanismus geprägt ist und sich ausdrücklich vom chauvinistischen Populismus löst.
Türkis: Flüchtlinge sind unsere allerbesten Wahlhelfer! Wann immer wir es brauchen, ziehen wir die Flüchtlingskeule aus dem Sack, machen den Österreichern und Österreicherinnen so richtig
Angst, damit es ganz wenige bleiben, die "sonst noch bei uns leben".
Oder: Einem anständigen Menschenbild widerstrebt es zutiefst, Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Verderben flüchten, im Stich zu lassen. Wir schauen uns gut an, wer zu uns will. Aber
die Türen bleiben offen.
Türkis: Bevor wir zugeben, dass wir keine Ahnung haben, wie wir die großen Herausforderungen der Zukunft packen sollen - insbesondere Klima und Digitalisierung - lenken wir lieber ab und
jubeln unseren Basti in die Höhe. Der weiß es zwar auch nicht, aber im Zweifel reißt er uns schon wieder um die Kurve.
Oder: Wir machen den Mund auf und sagen die Wahrheit. Dass die Digitalisierung einen ganzen Haufen Menschen arbeitslos machen wird, weil der Algorithmus schneller und billiger ist, als
sie. Aber wir haben den Mut, genau dieses Thema zur Sprache zu bringen und mobilisieren alle Phantasie und Kreativität, mit dieser realen Perspektive lösungsorientiert fertig zu werden.
Türkis dominiert mit seinem Spin immer noch den Mainstream.
Es müsste aber mit dem Teufel zugehen, wenn das "Oder" nicht wenigstens 30 Prozent Zustimmung schafft. Oder sogar mehr.
Erst, wenn das nicht gelingt, wird es Zeit, die Hoffnung auf ein wirklich zukunftsfähiges Österreich zu begraben.
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