In den letzten zwei Wochen habe ich mich ganz intensiv mit Bruno Kreisky beschäftigt.
Die von Oliver Rathkolb behutsam redigierten "Erinnerungen" gelesen.
Das aktuelle Buch von Brunner und das Standardwerk von Petritsch.
Dabei sind unzählige Bilder vor mir wieder erstanden. Bilder, die ich seit meinem 10. Lebensjahr aufgesammelt habe. Als ich mit meinem Vater die "Zeit im Bild" angeschaut habe und seine zutiefst ÖVP-nahen Kommentare als meine Guidelines erfasste.
Ich habe mich gekrümmt, als Kreisky in der legendären TV-Diskussion den schwarzen Hoffnungsträger Taus in seine Einzelteile zerlegte.
Ich war wütend, als Kreisky sich nicht genierte, Simon Wiesenthal mit widerlichen Verdächtigungen zuzuschütten.
Ich habe gebebt vor Zorn, als Kreisky das Ergebnis der Volksabstimmung über das Konferenz-Zentrum (ein erbärmliches Signal typisch österreichischen Provinzialismus) gegen alle Wissenschaft uminterpretierte, als er meinte, "60 Prozent hätten ja immerhin nicht unterschrieben".
Ich weiß aber auch noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich als 5-Jähriger den damaligen Außenminister Kreisky im Fernsehen weinen sah,
als er verkünden musste, dass J.F. Kennedy ermordet worden war.
Und: Ich sehe den alten, kranken Bundeskanzler im Jahr 1981 vor mir, als ich eine der Sternstunden meines Lebens erleben durfte.
Ein eineinhalbstündiges Privatissimum.
Nur der Kanzler und ich.
Im Kreisky-Zimmer am Ballhausplatz.
Und er sagte mir: "Es ist ein Skandal, dass es die Konservativen in allen Parteien - auch der SPÖ - verhindert haben, dass Politische Bildung als Unterrichtsgegenstand eingerichtet wird."
An all das musste ich denken, als ich in den letzten Tagen Kreisky-Zitate gepostet habe. Mit einer einzigen Ausnahme von mir unkommentiert.
Einige werden noch folgen.
Und es steigt einem die Galle hoch, wenn man
beobachten und erdulden muss, welche ungebildeten Vollpfosten wir derzeit in der Regierung mit Steuergeldern durchfüttern.
Keine Ahnung von Geschichte. Keine Ahnung von Wirtschaft. Keine Ahnung vom Alltag der arbeitenden Menschen. Keine Ahnung von der deutschen Sprache. Alles Hohlkörper.
Mit einer Impertinenz, die schon aus der völlig sinnbefreiten Mimik in einen Abgrund der Bildungsferne blicken lässt.
Bitte: Niemand möge mir nun den Herrn Faymann vorhalten. Und andere indolente Granden aus der Sozialdemokratie. An denen habe ich mich wahrlich erschöpfend abgearbeitet.
Ich messe die aktuell Regierenden an ihren selbstposaunten Ansprüchen. Es gibt keinen Limbo, der eine tiefer gelegte Latte zeigt, unter der die derzeit Verantwortlichen durchrobben.
Was mich am allermeisten aufregt: Diese intellektuellen FKK-Fanatiker genieren sich nicht, nach einem langen Sommer mit inhaltlich leeren Händen vor die Eltern und Kinder zu treten und sie in Anbetracht einer potenziell zweiten Welle erneut einem vollkommen erratischen Schulsystem auszusetzen. Für alle MinisterInnen - damit Ihr es auch versteht: Ihr habt keinen Plan und Ihr checkt das nicht einmal.
Wenn die Dummheit sich mit der Frechheit paart, kommt die österreichische Bundesregierung dabei heraus. Und dieses seltsam-schöne Land muss es aushalten. Schon wieder. Noch immer. Immer weiter.
Kommentar schreiben
Rainer Hampel (Samstag, 22 August 2020 15:41)
Ja, mein Vater, ein überzeugter Akademiker und Christ, und ich und die Politik Kreiskys. Wir haben viel diskutiert, unsere Meinungen waren sehr unterschiedlich, aber wir haben einander respektiert. Einiges von dem, was ich vorausgesagt habe, ist eingetreten - mein Vater hat es nicht mehr erlebt, er hatte sich langsam in sich zurückgezogen, als er erkannte und erlebte, wie seine absolut aufrechte politische Haltung, konservativ aber doch in der Mitte, ihre Basis verlor, ein gesundes Netzwerk des Miteinander durch individuelle Gier nach Macht und Geld löchrig wurde und zerrissen ist.