In den Lehrbüchern für Konflikt-Management steht, dass Wert-Konflikte auf keinen Fall auf der Fakten-Ebene behandelt werden können, sondern nur durch Toleranz.
Genau da haben wir nun unsere allergrößten Schwierigkeiten.
Der Werte-Kanon, der unser Land viele Jahre zusammengehalten hat, ist polarisiert. Aus den Brücken wurden Gräben. Aus den (mittlerweile von vielen verächtlich betrachteten) Kompromissen wurden Unvereinbarkeiten.
In Österreich hatten wir mit Ausnahme von 12 Jahren (1971 bis 1983) immer eine politische Mehrheit rechts der Mitte. Schon vor Unterzeichnung des Staatsvertrags wurde nur durch ein Veto des Bundespräsidenten Körner eine Regierung zwischen ÖVP und VdU (Vorgängerpartei der FPÖ) verhindert.
Die mit den Jahren immer verhassteren Großen Koalitionen haben im Endeffekt immer verhindert, dass sich die ideologischen Extrempositionen von Konservativen und Sozialdemokraten durchsetzen konnten. Aus meiner heutigen Sicht eine wunderbare Leistung. Und sie haben es geschafft, wirkliche Großprojekte (EU-Beitritt) durch- und umzusetzen.
Die Polarisierung der Werte, die jetzt unser politisches Biotop (politologisch korrekt: unsere politische Kultur) durchzieht, wie die Fettader einen Tafelspitz, führt zu einem systemischen "entweder/oder-Szenario" anstatt zu einem "sowohl/als auch".
Entweder Gesamtschule oder Gymnasium.
Entweder Aufnahme von Schutzsuchenden oder Grenzen dicht.
Entweder Leistungsprinzip oder unkontrollierte Gießkanne.
Entweder nationaler Egotrip oder EU.
Und so weiter.
Das ist sowohl menschlich, als auch strategisch erbärmlich.
Anstatt einfach zu sagen: Lassen wir doch beide Optionen gleichzeitig zu und versuchen einen humanen Mittelweg.
Je undifferenzierter die Geisteshaltung, umso intensiver die Bemühungen, diese Polarität durch manipulative kommunikative Methoden zu verankern. Weil Diskurs den eigenen Beton aufbräche. Weil nur "Message-Control" den eigenen Meinungsbunker aufrecht hält. Weil Integration von Positionen das Streben nach Sieg und die Herstellung von Besiegten unterbindet.
Weil der Verdacht, der andere könnte recht haben, die eigene Macht reduzieren könnte.
Wir waren da schon einmal sehr viel besser.
Auch um den Preis, dass der hohe Wert des Kompromisses zum Kuhhandel herabgewürdigt wurde.
Im Nachhinein und mit den Augen meiner Generation betrachtet: Das war es wert.
Da habe ich es leichter ertragen, wenn der Proporz zugeschlagen hat und der Milchpreis mit der Position des Außenministers gegengerechnet wurde.
Als wenn wie heute um des gnadenlosen Populismus Willen 100 Kinder im Lager-Dreck verrecken, weil unsere Regierung einen Akt der Humanität nicht als "Lösung des Problems" sehen will. Die Rettung von Kindern ist die Rettung von Kindern. Punkt. Die Lösung des Problems findet auf einem anderen Feld statt und wurde bis dato von Österreich weder betrieben, noch unterstützt.
Dass die Grünen sich als Feigenblatt hergeben, während der Humanität das Herz herausgerissen wird, ist mit ihrer Märtyrer-Mission als Verhinderer der Faschisten nicht mehr zu rechtfertigen.
Die Dollfuß-Fraktion zieht ungehindert ihre Spur.
Wohin, kann in den Geschichtsbüchern nachgelesen werden. Aber das wäre ja schon wieder Bildung und die muss auf jeden Fall vermieden werden.
Kommentar schreiben