Für mich ist Weihnachten am subjektiv falschen Zeitpunkt im Kalenderjahr angesetzt.
Ich weiß, dass es ganz viele Gründe für dieses Datum gibt.
Sogar recht einleuchtende "esoterische". Denn obwohl es ja ernsthafte wissenschaftliche Zweifel gibt, ob Jesus wirklich
am 24. Dezember geboren wurde, ist doch das Symbol der Wintersonnenwende zumindest für alle auf der nördlichen Halbkugel Lebenden recht inspirierend.
Das Licht wird wieder mehr, die Tage wieder länger, die Hoffnung keimt. Das ist doch schon was für eine Religion, die etwas auf sich hält.
Und doch hätte ich Weihnachten lieber zur Jahresmitte - gerne auch zur Sonnenwende im Sommer - denn da würde wenigstens der teutschtümelnde Unfug der Sonnwendfeiern durch etwas Liebevolleres ersetzt. Außerdem gäbe es in Virus-Zeiten sehr viel mehr Möglichkeiten, sich "outdoor" ungezwungen aufzuhalten.
Ich habe aber auch einen ganz persönlichen Grund, warum ich Weihnachten lieber in der Jahresmitte hätte.
Denn da bin ich aller Wahrscheinlichkeit nach weniger müde.
Und rundum belastbarer.
Aus Gründen, die mit meiner Biographie zu tun haben, strengen mich Familienzusammenkünfte sehr an. Immer schon.
Ich halte Familien für extrem sensible Biotope, weil sie zu großen Teilen aus Menschen bestehen, die man sich nicht selbst ausgesucht hat. Zum Glück ja nicht vollständig...
Und diese nicht selbst ausgesuchten Menschen sind - so wie man selbst eben auch für andere - durchaus anstrengend mit ihren Wesenszügen und Eigenarten.
Um mit diesen Anstrengungen gut zurechtzukommen, hätte ich lieber eine dickere Haut und eine bessere Kondition. Beides ist am Ende eines Jahres nicht grade im Übermaß vorhanden.
Und nachdem ich mein potenzielles Pensionsprojekt - die Ausbildung zum Zen-Buddhisten - mangels Pension noch nicht in Angriff genommen habe, bin ich auf meine bescheidenen "irdischen" Ressourcen angewiesen. Und die sind gegen Ende des Jahres halt meist schon auf der Reserve angekommen.
Ich leiste mir auch noch eine weitere Eigenart.
Ich mag keine Überraschungen. Auch das hat mit meiner Biographie zu tun. Hängt direkt mit der für mich negativen Besetzung von "Neugier" zusammen. Zu vieles musste ich als Kind "erfahren",
das ich eigentlich nicht wissen wollte und deshalb reicht mir das Wissen, das sich sozusagen "freiwillig" für mich erschließt, vollkommen für ein interessantes Leben.
So ist es auch mit Überraschungen. Für mich ist die zweitschönste Freude die Vorfreude. Wenn ich ahnen darf, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas, das ich mir sehr gewünscht hatte,
für mich bereitstehen wird. Die schönste Freude ist dann, diesen Wunsch tatsächlich erfüllt zu bekommen.
Mir ist klar, dass das eine Zumutung für alle ist, die mich liebevoll überraschen wollen. Und ich weiß auch, dass das Schenken selbst für den Geber mindestens so wichtig ist, wie das Beschenkt-Werden für den Empfänger. Und doch vermag ich mich nur schwer aus meiner Empfänger-Perspektive zu lösen.
Wenn man dann halt so kapriziert ist, wie ich, wäre es einfach angenehmer, an einem lauen Sommerabend eine Weihnachtsparty im Freien zu haben, in den späten Sonnenuntergang zu schauen, sich entspannt noch ein Bierchen aufzumachen und vor sich hin zu chillen.
Die einzigen, für die dieser Change keinen Vorteil brächte, sind die Weihnachtsgänse. Auf meine Weihnachtsgans könnte ich auch am 24. Juni auf keinen Fall verzichten.
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