Solidarität.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das Überleben unseres Zusammenlebens und der liberalen Demokratie von etwas abhängt, das in den letzten Jahren in große Not geraten ist: Solidarität.

In einem weiter gespannten gedanklichen Bogen fällt mir dazu Yuval Noah Harari ein, der sehr eindrücklich feststellte, dass die Entwicklung der Menschheit viel besser von Kooperation, als von Konfrontation beeinflusst wurde und wird.


Ob es nun das kleine Österreich oder die Supermacht USA ist: 

Wir sehen überall eine beklemmende Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts. In den USA stellt bereits die Einführung eines staatlichen Gesundheitssystems bei hartgesottenen Konservativen einen Angriff auf die persönliche Freiheit dar. Und bei uns wirkt es auf bestimmte Schichten wohltuend, wenn sie bloß schon sicher sein können, dass es dank staatlicher Eingriffe anderen noch schlechter (!) geht, als einem selbst.  


Es ist unübersehbar, dass im Kleinen wie im Großen der Graben zwischen den Lagern breiter und tiefer geworden ist.


Und ich leiste mir die konstruktive Naivität, dass mittelfristig nur die Einsicht in die Kraft der Solidarität unser Überleben in Frieden und Fortschritt gewährleisten kann.

Zusätzlich nehme ich mir die Freiheit einer polemischen Verkürzung:


Es geht doch letzten Endes um den Widerstreit zwischen Solidarität und Subsidiarität. Eher links von der Mitte die Verfechter der Solidarität, eher rechts von der Mitte jene der Subsidiarität.

Vereinfacht: Gemeinsinn gegen Arbeitsteilung.

Noch mehr vereinfacht: 

"Alle für einen, einer für alle" versus "Jeder für sich, Gott für alle."


Erst wenn es gelingt, eine stabile Mehrheit in der Bevölkerung für den solidarischen Grundgedanken aufzubauen, werden wir mit den Grundfragen der modernen Zivilisation nachhaltig umgehen können.

Denn Klimaschutz braucht Solidarität, ebenso wie der Generationenvertrag, die Migration und der Umgang mit Automatisierung und Digitalisierung.


Erst wenn klar ist, dass Solidarität kein Widerspruch zu Leistung darstellt, wird die ewig alte Keule des Vorwurfs der Gleichmacherei ausgedient haben.

Erst wenn sich der normalverbrauchende Mensch dagegen wehrt, dass ein spitzenverdienender Vorstand bereits am 5. Jänner das verdient hat, wofür andere ein ganzes Jahr brauchen, wird klar sein, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Solidarität und Gerechtigkeit gibt.

Erst dann wird klar sein, dass es in der Sozialpolitik nicht um das patriarchalische Verteilen von Almosen, sondern um garantierte strukturelle Unterstützung geht.

Erst dann wird es ein Ende haben mit dem ewigen Vorwurf der "sozialen Hängematte", der dafür herhalten muss, dass wegen einiger weniger Schmarotzer ganze gesellschaftliche Schichten unter die Räder kommen.

Dann - gerne! - kann Solidarität endlich auch positiv mit Großzügigkeit assoziiert werden. Und Subsidiarität mit Misstrauen.




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Kommentare: 1
  • #1

    Marion (Sonntag, 10 Januar 2021 14:54)

    Lieber Hannes, wie wärs mit der Partei : Solidarität ? Ich rede mir auch den Mund fusslig bei eher konservativen Freunden, dass die aktuelle ChangeZeit Kooperation und Solidarität erfordert und kein Egoverhalten, dass ihnen ein goldener Sarg nichts bringt. Verstehen will diese Seite das nicht. Da müssen wir uns – von der anderen Seiten – solidarisieren. (Ich glaub du hörst mir paar mal zu ;-)