Bevor es mich (wieder) zu tief in den Facebook-Treibsand zieht,
nütze ich lieber das Biotop meines Blogs, um noch ein paar Gedanken "auszuspeichern" (wie meine wunderbaren Freunde in Deutschland zu sagen pflegen).
Ich habe jedes Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte der österreichischen politischen Kultur verloren.
Ich benütze hier bewusst den Begriff "politische Kultur" als Relikt meiner politikwissenschaftlichen Ausbildung. Dort versteht man darunter nicht die Umgangsformen im politischen Diskurs, sondern die Gesamtheit der Einfluss-Faktoren, die ein politisches System prägen.
Mein Eindruck ist:
In den 8 Faymann-Jahren ist - als traurigem Höhepunkt einer schon vorher angelaufenen Erosion politischer Qualität - der letzte Rest von politischem Gestaltungswillen auf Basis politischer Intelligenz den Bach hinuntergegangen.
Damals muss es den "Schwarzen" sehr schlecht gegangen sein.
Ein armseliger Kanzler, den man offensichtlich nicht loswerden konnte, hielt das Land irgendwie am Laufen und hatte durchaus auch noch die Fähigkeit, durch seine typische Beharrlichkeit die schlimmsten Auswirkungen der Finanzkrise auszusitzen.
Ein schwarzer Parteiobmann nach dem anderen verglühte neben ihm. Und die blaunen Horden wurden immer mehr.
Das muss schwer auszuhalten gewesen sein.
Dann kommt ein geschichts- und gewissenloser Parvenue daher, verbreitet perfekt aufgeblasene politische Marketing-Seifenblasen und die Leute laufen ihm zu. Schwiegermütter atmen lustvoll, junge Leute schöpfen Mut und glauben, jetzt wären sie an der Reihe, an den Stammtischen wird testosterongeladen gegröhlt und Feindbilder aller Art feiern fröhliche Urständ.
Und nichts kann den Senkrechtstarter aufhalten.
Nicht einmal der erste erfolgreiche Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung in der Zweiten Republik.
Die Menschen "draußen" haben keine Ahnung von Gewaltenteilung.
Wie der Kanzler. Und beiden ist es wuascht.
Dem Kanzler aktiv. Den Menschen passiv.
Die politische Bildung - immer schon ein Mauerblümchen im österreichischen Schulsystem - verkommt zur politischen Manipulation. Der blaune Innenminister sagt "Das Recht muss der Politik folgen" und die Türkisen applaudieren klammheimlich - nur noch von den wenigen Verfassungsjuristen, die ein (Ge)Wissen haben, eingebremst.
Das Parlament - als repräsentative Versammlung des österreichischen Volkes - wählt die Regierung ab und der Kanzler macht sich lustig über dieses Kernelement der Demokratie.
Das Strafrecht als rote Linie: Die erbärmliche Unterkante von Moral und Anstand.
Und dann noch die ständige Quelle von Wut und Adrenalin bei jemandem wie mir: Diese unerträgliche Spreizung zwischen Anspruch und Verhalten. Diese unfassbar miese Haltung, die zu solch unpackbarem Verhalten führt. "Neuer Stil", "Das Ende der Packelei und des Stillstands", "Sparen im System", "Leistung", "Transparenz"... und jeden einzelnen Tag tut diese Versammlung von Mogelpackungen das glatte Gegenteil.
Mehr noch: Es stinkt nach böser Absicht und vorsätzlicher Niedertracht. Wenn es "wenigstens" das Unvermögen und die Unbeholfenheit wäre...
Während all das geschieht, rafft die Pandemie Menschenleben, Jobs, Existenzen und Zukunft dahin und die völlige Ahnungslosigkeit von Krisenmanagement und Entscheidungskompetenz potenziert das Leid und den Schmerz noch weiter.
Und in baldiger zeitlicher Erreichbarkeit wird trotz allem eine Mehrheit geimpft sein. Und in den Schanigärten wird sich Milde ausbreiten. Wir leben noch. Und sooo schlimm war es ja schließlich auch nicht. Und der Basti hat sich eh bemüht. Was die Kritiker schon wieder alles auszusetzen haben, anderswo war es auch nicht besser.
Und dann kommt - pünktlich - das nächste Feindbild um die Ecke.
Dann können wir endlich wieder GEGEN etwas sein. Etwas, das man ausweisen kann. Und diskriminieren. Das man als Person beschimpfen kann. Und schlechter stellen.
Nicht so was wie das Virus, gegen das man ja jetzt wenigstens geimpft ist, das einen aber zuhause angekettet hat und zum Klopapier-Hamster verkommen ließ.
Jetzt simma wieder wer und unseren Basti lassen wir uns nicht anpatzen.
Und dann wird einem wie mir der Weg zum Klo zu lang, selbst wenn ich direkt daneben sitze.
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Mar8 (Donnerstag, 13 Mai 2021 16:30)
Danke!
Marion (Donnerstag, 13 Mai 2021 16:39)
In mir steigt aber schon eine neue Angst auf: basti macht es nicht mehr lange und wenn doch bis zum Ende, dann lässt er sich nicht wieder aufstellen. Denn er kann nicht mehr strahlen, der kleine pimpf. Und was macht man dann mit so einem generalversager? ER KRIEGT EINEN SUPERPOSTEN IN DER EU! Und dann haben ich nicht mal mehr die EU an die ich glauben kann. Denn es gibt dann keine Merkel mehr und vielleicht auch keinen macron, der diesen türkisen möchtegernkanzler verhindert.
Linda Woess (Donnerstag, 13 Mai 2021 17:31)
Ist alles so schrecklich wahr -
gibt's nicht ein bisschen was zur schönen Aussicht?
Bitte!
Judith (Donnerstag, 13 Mai 2021 19:37)
Genau so wird es laufen �