Tagebuch.

Vor einer Woche habe ich meinen Facebook Account deaktiviert. Und es fühlt sich immer noch gut an.

Es ist, als ob eine Lebensphase zu Ende gegangen wäre. Einer meiner Lieblingsfreunde meinte scherzhaft, als ich ihn von meinem Schritt informierte, "eine Ära wäre nun zu Ende".

Das war erstens ein Scherz und zweitens ein schlimmer Trigger für meine Hybris, den ich dieser mir innewohnenden Versuchung nicht gönnen will.


Ich vermisse natürlich die vielen liebenswerten Einblicke in das Leben von ebenso liebenswerten Menschen, die mir in dieser Form nur Facebook gewährte. Ich genieße zugleich die Absenz von Gift und Galle und die Verdichtung von allem, was mir ohnehin nicht gefällt, auf so kleinem Raum.

Ja, kleinem Raum! Denn obwohl sich über eine Milliarde Menschen auf dieser Plattform tummeln, ist der persönliche Ausschnitt erschreckend klein.

Und so macht es einen auch. 

Nun bin ich ziemlich sicher ziemlich gut geschützt vor der Kleinkariertheit, denn wenn ein derselbe Scheiß, der Dir schon in den Zeitungen sauer aufstößt, in Deiner Timeline rauf und runter dekliniert wird und Du glaubst, jetzt auch noch unbedingtest Deine Duftmarke setzen zu müssen, wird es ganz schön eng. Im Kopf, im Bauch, in den Blutgefäßen.

Und davon steigt der Blutdruck und das ist ungesund.


So habe ich auf "pathetische" Abschiedsgesänge verzichtet und einfach die technische Chance genützt, meinen Account zu deaktivieren. Damit bin ich weg, ohne mich selbst gelöscht zu haben. Niemand findet mich. Nur ich kann mich wieder freischalten. Das mag ich.


Statt dessen lese ich viel. Habe endlich mein wochenlanges Lieblingsbuch ausgelesen und mich über eine neue Schwarte hergemacht. Von beiden werde ich hier sicher noch berichten. 

Der Akku meines Handys bleibt länger frisch.

Ab und zu will mein Zeigefinger gewohnheitsmäßig auf das FB Icon tippen und da merke ich dann, wie oft ich das "früher" gemacht habe.

Und manchmal klicke ich dann den Twitter-Piepmatz an und erschrecke über das dortige Konzentrat von Gift und Galle. Schnell wieder raus, bevor es toxisch wird.


Ich werde meine FB-Beuten in 3D treffen. Mit 3G.

Sie sind wohlsortiert und ich werde die Schnittmengen genießen und die Gewürze der Unterschiede. 


Und ich werde hier wie in einem Tagebuch schreiben.

Und nichts irgendwo teilen. 

Dem Zufall vertrauen. Und liebevollen BesucherInnen, die aus alter Verbundenheit hier vorbeischauen. 

Schön wird das. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Christine Schmied (Donnerstag, 16 September 2021 23:20)

    … ich wusste ja doch wo ich finden würde, lieber Hannes!
    Beruhigt zu lesen, dass es dir gut geht und bestätigt darin, dass ich dich durch unsere gemeinsame
    Facebook Zeit doch ein wenig einschätzen kann, dachte ich mir schon, dass du dich hier in dein „privates Zimmerchen“ zurückgezogen hast.
    Und ich möchte dir gratulieren!
    Denn auch wenn ich deine Beiträge auf FB vermisse, bewundere ich dich für deinen Entschluss.
    Seit einiger Zeit denke auch ich darüber nach. Denn ja, viel Neues erfährt man ja eigentlich kaum mehr. Und die Gräben die sich im echten Leben zutragen, nehmen auf dieser Plattform ihre besonders hässliche Fratze an. Dort fällt ja es gleich nochmal so leicht.
    Aber irgendetwas hält mich - noch.
    Mal sehen…
    Jedenfalls bin ich sehr froh zu lesen, dass es dir gut geht und du dir Zeit nimmst, für Dinge die dir - und einem Herz - wirklich gut tun.
    Ich freu mich für dich und bin beinahe etwas neidisch ;)
    Vor allem aber wünsche ich dir alles Gute und lese jetzt einfach hier weiter!
    Alles Liebe
    Christl