Memories.

Meine Mutter hörte so gegen Ende der 60er Jahre auf, sich für das Zeitgeschehen zu interessieren. 

Da war sie ca. 35 Jahre alt. 

Nur beim Kochen, wenn sie Gemüse putzte und den Abfall auf altes Zeitungspapier legte, fielen ihr Berichte über vergangene Ereignisse auf. "Yesterday's papers telling yesterday's news." 

Daran musste ich heute denken, als ich meiner Frau half, das Sonntagsessen zuzubereiten, und gefühlte drei Tonnen Gemüse in kleine Würfel schnipselte. 

Während meine wunderbare Frau mit ihrer Enkeltochter Cupcakes in Fledermausform fabrizierte. Und ich war mir sicher, dass die jetzt knapp 5-jährige Theresa ihren eigenen Enkeln davon erzählen wird, wie sie mit ihrer Omi gebacken hat. 


Es ist so unendlich wichtig, gute Erinnerungen zu "produzieren". Auch wenn ich schon als Bub merkte, wie weit weg meine Mutter von den Aktualitäten war, so muss ich heute noch lachen, wenn ich mich daran erinnere, wie sie manchmal ansatzlos berichtete, was sie ganz aktuell "in der Zeitung" gelesen hatte. 


Meine über alles geliebte Tante Herma schenkte mir eine ganze Serie guter Erinnerungen, als ich so zwischen 12 und 14 Jahren meine Ferien bei ihr in Karlsruhe verbrachte. Die vielen wunderbaren Roman-Seiten, die ich aus ihrem Bücherschrank stehlen durfte, weil sie vergaß, die "unkorrekte" Literatur vor meinem Zugriff zu sichern. 

Die endlosen Telefonate bis weit in mein Erwachsenenleben, als ich ihr aus dem Auto erzählte, was es grade wieder Neues gab. 

Und vor allem: Dieses verschmitzte Lächeln, das sie mir als letztes reales Bild schenkte, als ich sie im Altersheim besuchte und aus tiefem Schmerz weinte, weil sie sich aufgegeben hatte. Und dann hatte sie sich auf die Terrasse bringen lassen und einen Zwetschkenkuchen gegessen, um ihren Liebling zu überraschen, als der nach der Mittagspause wiederkam. 


Die Hand meines Vaters auf meiner Schulter, als ich vor Gericht wegen eines tragischen Unfalls erscheinen musste und er mich stützte, kurz bevor der Freispruch verlesen wurde. 


Der Rat meines Schwiegervaters, als mich ein berufliches Problem plagte und er ganz tief in meine Situation einstieg.

Die zärtlichen Hände meiner Schwiegermutter, die meinen Kopf umfassten, als ich sie zur Begrüßung auf die Wange küsste. 


Die unzähligen Morgen mit dem liebevollen Blick meiner Frau, mit dem sie meine Seele aufweckt und mich innen streichelt.


Jean Gabin, der mit seinem Sprechgesang im Chanson "Je sais" darüber singt, dass wir uns am Ende an die Morgen der Zärtlichkeit erinnern werden und nicht an die Abende der Traurigkeit.


Gute Erinnerungen an uns und an andere.

Das könnte ein Vermächtnis sein, das wir alle - jede/r für sich - hinterlassen können. Als Reichtum, der sich über Generationen verzinst. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marion (Sonntag, 31 Oktober 2021 19:43)

    Du denkst immer mit dem Herzen. Das mag ich lieber Hannes