1994

In diesem Jahr war der Höhepunkt der Kommunikationsmaßnahmen für die Abstimmung, ob Österreich der EU beitreten soll. Wir hatten damals eine tatsächlich Große Koalition mit SPÖ und ÖVP, die beide um die 40 Prozent der WählerInnen hinter sich hatten. FPÖ und Grüne teilten sich den Rest. Alle großen Medien waren sich einig, dass wir in die EU sollten und insbesondere die Kronen Zeitung hatte sich maßgeblich dafür ausgesprochen.
Vranitzky war Bundeskanzler, Busek Vizekanzler und Mock Außenminister. Alles intellektuelle Kaliber mit einem sehr soliden Geschichtsverständnis. Die Regierung war sich einig, dass dieses Ziel das alles bestimmende war und arbeitete konsequent darauf zu. Es gab eine Kampagne, die mit klaren und einfachen Botschaften arbeitete ("Gemeinsam statt einsam") und der Parteienzank in der GroKo war auf "Pause" gestellt. Die wahre Legende berichtet, dass am Abend des Abstimmungstags Busek ins Festzelt der Sozialdemokraten ging und dort textsicher (!) die "Internationale" mitsang.

Heinz Conrads würde jetzt sagen:
"Die Älteren unter uns erinnern sich..."
Genau so war's und 66 Prozent der Bevölkerung stimmten mit JA. Darunter die Uromi meiner Kinder, die vorher gefragt hatte, was gut für die Zukunft ihrer Urenkel wäre.

Selbstverständlich hatte sich auch damals schon die FPÖ in den Rabaukenmodus begeben und warnte mit "Schildlausjoghurt"-Horrorgeschichten und dem Ableiten unseres Trinkwassers vor der EU. Ausgerechnet die FPÖ, die über die längste Tradition der EU-Befürwortung verfügte, war aus populistischen Gründen anders abgebogen.

So wie auch jetzt in der Pandemie. Die einstige Partei der Ärzte, Apotheker, Anwälte und Notare ist seit 1986 zu einer irrationalen Krakeelertruppe mutiert, die zum Zweck der Kanalisierung des Idiotenpotentials vor nichts zurückschreckt. Das wäre alles halb so schlimm, gäbe es den "Cordon Sanitaire" noch, mit dem sich ÖVP und SPÖ von den giftigen Avancen der Rechtspopulisten abgrenzten. Das ist vorbei, seit Kurz die Neo-Faschisten ins Boot geholt hat. Das ist NICHT vergleichbar mit der von Kreisky eingefädelten kleinen Koalition 1983, weil die FPÖ zwar niemals ihren deutschnationalen/nationalsozialistischen Bodensatz verloren, aber Anfang der 80er einen (dann gescheiterten) liberalen Ansatz versucht hatte.
Nun haben wir eine Regierung, die in sich uneinig ist, wie mit dem Mega-Thema Pandemie umzugehen ist und die vor allem völlig im Widerstand zu einem parteiübergreifenden Schulterschluss ist, weil man der Opposition (SPÖ und Neos) nicht einen Millimeter Erfolg gönnt.
Auf diesem Misthaufen des Egoismus und der Inkompetenz werden nun die Toten aufgebahrt.
Man erinnert sich. Man weiß, dass "früher" bei weitem nicht alles Gold war. Man weiß aber auch, dass es zumindest vorstellbar war, dass unterschiedliche Interessen zu einem Kompromiss und einer gemeinsamen Perspektive finden konnten.
Man vergleicht mit heute.
Und möchte nur noch vor Wut und Enttäuschung in die Tischkante beißen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Tanja (Mittwoch, 24 November 2021 19:41)

    Soooooooooooooooooooooooooooo true:
    "Und möchte nur noch vor Wut und Enttäuschung in die Tischkante beißen."

  • #2

    Gregor (Donnerstag, 25 November 2021 16:51)

    wenns denn die idiotentruppe tatsächlich "kanalisiert" hätten...