Im Lauf eines Lebens, das ab und zu mit durchaus interessanten Herausforderungen aufgewartet hat und ganz sicher noch einiges im Talon hat, ergeben sich allerlei Gelegenheiten, um zu lernen. Und ich meine dabei weniger das Ansammeln von Wissen (obwohl sich das gar nicht vermeiden ließ), sondern die "Entwicklung neuer Fähigkeiten" - so wie es der von mir sehr verehrte Peter Senge definiert.
In meinem besonderen Fall waren beispielsweise Erkenntnisse und Verhaltensweisen auf dem Feld des Konflikt-Managements ausgesprochen hilfreich und haben bei mir nahestehenden Menschen zu speziellen Kommentaren geführt: "Als Du noch so harmoniesüchtig warst, war es sehr angenehm mit Dir. Jetzt, wo Du viel konfliktfähiger bist, ist es spannender."
Auch ich selbst empfinde immer noch meinen erheblich größeren Radius an Tools und Optionen als sehr hilfreich. Insbesondere die Erkenntnis, dass gelungenes Konflikt-Management in der Herstellung der Handlungsfähigkeit aller Beteiligten besteht, hat fast Mantra-artige Qualität für mich.
Nun fängt es an, schmerzhaft zu werden, wenn meine mit stellenweise großen intellektuellen und emotionalen Anstrengungen erworbenen "Tugenden" auf eine sehr harte Probe gestellt werden.
Neulich erlebt: Ein Impfgegner fühlt sich von den Geimpften bedrängt, weil er in der Minderheit ist und von der Mehrheit Schutz und Respekt für seine Haltung verlangt und nicht kriegt. Und ich spüre, wie meine Toleranz am Anschlag ist und ich einfach das geforderte Verständnis nicht aufbringen will.
Weil der Impfgegner Schutz und Respekt für seine "Meinung" einfordert, die eben eine Meinung ist und auf keinen Evidenzen beruht.
Ich denke in solchen Situationen gerne an meine Ratlosigkeit, die mich einmal im Museum of Modern Art in New York beschlich, als ich vor einem Kunstwerk stand, das ich trotz intensiven guten Willens nicht verstehen konnte. Und ich mich selbst tröstete und mir sagte: Wuascht - hier geht es um meine persönliche Meinung und solange jemand dafür Geld ausgeben will, ist alles OK.
Dieser gedankliche Mechanismus funktioniert jetzt nicht. Jetzt geht es um Leben und Tod. Und jetzt verlange ich gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Und die Selbstverpflichtung zu ordentlicher, evidenzbasierter Informationsbeschaffung. Und die Achtsamkeit für unser aller Gesundheit.
Und es reicht mir nun ganz ernsthaft.
Es sterben Menschen, die unter Bedachtnahme auf einfache Schutzmaßnahmen nicht sterben müssten. Es sterben Menschen, weil die Verantwortungslosen die Intensiv-Betten blockieren.
Es sterben Menschen, weil sich die Täter in Opfer umetikettieren.
Das ist unerträglich und muss aufhören.
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Schippy (Samstag, 27 November 2021 09:24)
So ist es. Etikettenschwindel.