Angst.
Angst ist ein diffuses irrationales Gefühl, bei dem sich die Wahrnehmung verengt und nur noch einen Tunnelblick ermöglicht. Im Gegensatz zur Furcht, die konkret und oft auch rational begründbar ist.
Warum ich das schreibe?
Weil ich mich berufsbedingt schon sehr lange mit diesem Themenkreis beschäftige. In meinem Buch "Tool Box" habe ich der Angst ein eigenes Kapitel gewidmet.
Über die Jahre ist in mir eine sehr fundierte Erkenntnis entstanden: Das Gegengewicht zur Angst ist nicht Vernunft oder Sicherheit (das sind sehr gute Helfer gegen die Furcht, weil schwerpunktartig eher rational).
Das Gegengift zur Angst ist Sinn. Der Sinn spricht - hoffentlich! - oft die Emotion an und auf dieser (gleichen) Funkwelle kann man die Angst erreichen.
Sonst würde man ja jemanden, der auf UKW ist, versuchen, auf MW oder MP3 zu erreichen.
Warum ich nun das wieder schreibe?
Weil mir in pandemischen Zeiten regelmäßig Menschen begegnen, die ihre Angst vor der Impfung hinter vorgeschobenen pseudorationalen Argumenten verbergen. "Ich warte auf den Tot-Impfstoff", "Ich bin schwanger", "Ich muss noch stillen (ein zweijähriges Kind)", "Ich habe Angst vor einer Thrombose", "Das alles ist noch nicht genug erforscht", "Mein Erbgut wird verändert", .....
So gut wie alle diese Einwände ließen sich mit "vernünftigen" Argumenten bearbeiten.
Aber die Angst reagiert nicht auf Vernunft.
Die Angst - wenn sie nicht pathologische Ursachen hat - reagiert gern auf Sinn. "Für ein gutes Warum ertrage ich auch das schlimmste Wie" hat schon der alte Nietzsche gewusst. Und aus meiner Sicht sehr recht damit gehabt.
Wenn wir uns daran erinnern, wie unglaublich sensibel die "Jungen" am Beginn der Pandemie gewesen sind:
"Ich treffe meine Großeltern nicht, weil ich will nicht, dass sie krank werden und sterben."
Oder viele andere aus allen Altersgruppen: "Okay, ich trage den Lockdown mit, weil nur so kriegen wir die Zahlen runter."
Ja und dann ist viel Mist gebaut worden und viele sehr egomanische Entscheidungen wurden ganz oben getroffen. (Weil dort oben halt auch keine Empathie wohnte, die sich in die Seelen und Ängste hineindenken hätte können.)
Jetzt könnte man es aber nochmals versuchen.
Eh - auf verbrannter Erde. Weiß ich. Aber vielleicht geht noch was. A bissl was geht immer.
Vielleicht hilft es, an die Solidarität zu appellieren.
Vielleicht rührt es die Skeptiker, dass ihre Kinder wieder ein unbeschwertes Leben führen könnten.
Vielleicht freut sich jemand, wenn er oder sie wieder mit seiner/m Liebsten tanzen gehen kann.
Oder unbeschwert reisen. Oder Freunde treffen.
Wer weiß. Man müsste da ein bissi nachdenken.
Sich ein bissi hineinfühlen. Zu den Epidemiologen, Virologen, Infektiologen, Intensivmedizinern, Heilenden, Pflegenden, die alle Übermenschliches leisten, vielleicht auch ein paar einfühlsame und geschickte Psychologen und Kommunikatoren einladen. Vielleicht haben die nun weniger beschäftigten Spin-Doktoren ja irgendwo in ihren finsteren Seelen ein helles Fleckerl und sie wollen sich ausnahmsweise amal in den Dienst einer wirklich guten Sache stellen.
Vielleicht lassen sich 10 Prozent derzeit Ängstliche zu Gutwilligen um-motivieren.
Warum?
Weil wir leider (!) jetzt einen Bodensatz hoffnungslos Verlorener haben, die wir in diesem Leben nicht mehr kriegen werden. Weil die so rettungslos auf das "System" scheißen, dass sie nicht einmal reagierten, würde die Regierung ihnen sagen, dass Milch-Trinken gegen Corona hilft.
Da ist wirklich Hopfen und Malz verloren.
Es ist im wahrsten Sinn des Wortes sinn-los.
Aber bei den "Anderen", da wäre ein bissi Sinn-Stiftung vielleicht ein gutes Mittel gegen die Angst.
Und im Zweifel bleibt immer noch der Volksmund, der uns sagt: Hüft es nix, so schodt es nix.
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Marion (Mittwoch, 15 Dezember 2021 05:47)
Lieber Hannes, die richtige "funkwelle auf der der Sinn die Angst erreicht" ist wieder mal. sehr, sehr schön.
Christin Smethurst (Dienstag, 28 Dezember 2021 08:14)
Lieber Doc Sunshine, kann ich das Buch Tool Box uber Dich beziehen? Lg. Christin