Die Astrologen sprechen gerne von "Geneigtheiten", wenn es darum geht, was die Sterne (angeblich) mit uns aufführen. Also eine Neigung, sich dem hinzugeben, was vielleicht weit weg von uns über unsere Köpfe hinweg für uns beschlossen worden ist.
In den zurückliegenden knapp zwei Jahren hat die Pandemie gewisse Geneigtheiten bei Menschen in meiner Umgebung sichtbar gemacht. Genauso wie die Jahre seit 2015 ebenfalls viel über das Menschenbild gewisser Leute zutage gefördert haben.
Genauso wie sich zu meinem Schrecken durchaus vordergründig "anständige" Leute als tief drinnen verborgene Rassisten und Xenophobiker herauskristallisierten, genauso haben sich Persönlichkeitsmerkmale bei anderen verfestigt und sie zu Schwurblern gemacht.
Eine Person, die immer schon mit dem Okkulten geliebäugelt hat, ist nun endgültig ins Reich der Verschwörungstheorien abgewandert.
Eine andere Person, die als kleines Kind von den Ärzten vor dem Sterben bewahrt wurde und dann ein Leben führte, das voller Konflikte und Dramen war, hat den inneren Zorn auf die Ärzte, die ihr ein solches Leben eingebrockt haben, nun in eine tiefsitzende Aversion gegen die Schulmedizin und damit auch die Impfung umkalibriert.
Wieder jemand anderer, der seit langem auf Krawall mit dem "System" ist, verweigert die Impfung nur deshalb, weil das System halt die Impfung empfiehlt.
So drehen sich die Spiralen.
In gegenläufigem Spin.
Und die wechselseitige Entfremdung nimmt zu.
Was - für mich jedenfalls - bislang liebenswürdige Schrullen waren, ist nun zu toxischen Mustern geworden und verursacht - bei mir jedenfalls - tiefe Abneigung und stabilen Zorn, weil - für mich jedenfalls - der letzte Rest an Grundkonsens kaputt gegangen ist.
Es wird Jahre dauern.
Bis die gesundheitlichen Konsequenzen der Pandemie überwunden sind.
Und es wird noch mehr Jahre brauchen, bis das gegenseitige Misstrauen und die Abscheu voreinander zumindest neutralisiert sein wird.
Was mich am meisten schreckt:
Ich bin mir nicht sicher, wie sich die Mehrheiten entwickeln werden.
Manchmal möchte ich dann einfach nur am Strand von Tofino auf Vancouver Island sitzen und den Wellen beim Plätschern zuschaun...
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Wenzel (Sonntag, 19 Dezember 2021 09:45)
lieber Hannes, in diesem thema unterscheiden wir uns wesentlich. ich habe immer schon meine meine tiefe abneigung gegen menschen, die dem aberglauben zugetan sind, nur schlecht verbergen können.
das war nicht selten auch ein problem. zum beispiel im beruflichen. da gabs, als ich ziemlich frisch dazu kam, eine vorstandssitzung und gereicht wurde schales (weil lauwarm) leitungswasser in krügen. und du wirst es sicher ahnen, ja, da waren steine drin. das war 2001. ich habs zwar immerhin fünf jahre geschafft, in diesem konzern zu bleiben, aber beruflich richtig weitergekommen bin ich dort natürlich nicht. vielleicht hätte ich damals keine bemerkung über die steine machen sollen...
aber was mir mein feines sensorium für esoterischen quatsch und übersinnliches aus dem sportpalast gebracht hat: einen stabilen freundes- und bekanntenkreis. vielleicht ist das aber auch nur zufall.