Einsicht.

"Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit." (Hegel)

Diese fundamentale Erkenntnis wurde uns 

17-Jährigen vom großartigen Philosophie-Professor 

Dr. Peter Söllinger im Linzer Khevenhüller-Gymnasium vermittelt. 

Ebenso wie die Schopenhauersche Definition von Glück: 

"Glück ist Schmerzlosigkeit ohne Langeweile." 

Für einen Teenager sehr spröde und schwer verdauliche Kost. Im Lauf der Jahre wird die Essenz immer griffiger und der konkreten Lebenserfahrung immer ähnlicher. Als mein Vater starb, habe ich - knapp 40-jährig - den Schopenhauer auf seine Parte drucken lassen - so sehr hätte ich ihm diesen Zustand gewünscht. 


Das mit der Einsicht in die Notwendigkeit ist immer noch eine schwierige Übung. Und ausgerechnet in den letzten zwei Jahren erwies sie sich so regelmäßig als Gebot der Stunde. 

Und jetzt - "zwischen den Jahren" (wie meine deutschen Freunde so treffend zu formulieren pflegen) - lohnt es sich besonders, auf die Fähigkeit, Einsichten zu entwickeln, zu schauen. Bei anderen. Und vor allem bei sich selbst.


Im Jahr 2021 habe ich in einer gut verkraftbaren Katharrsis gelernt, mich von ein paar Sehnsüchten zu trennen, die mich jahrzehntelang wie ein Schatten begleitet haben. Seit dem Studium (und in Wahrheit auch schon davor) war da immer ein Magnetismus hin zur praktischen Tätigkeit in der Politik. Und heuer - endlich - hat diese latente Anziehungskraft ihre Magie verloren. Ein paar banal-konkrete Anstreifer an diese toxische Welt genügten und ich war final und nachhaltig geheilt. 


Immer wieder sind zwei Hoffnungs-Figuren durch meine Gedanken gekurvt, von denen ich mir so vieles erwartet hatte und die beide so kläglich - aber unterschiedlich - gescheitert sind. 

Christian Kern, der mich so mitgerissen hat mit seinen ersten großen konzeptionellen Würfen und der an zwei Hürden so traurig zerschellte: Der eigenen Schwäche in politischer Taktik (bzw. einer sträflichen Gutgläubigkeit) und einem unfassbar drögen Parteiapparat, der zu dämlich zum Bescheissen war (siehe Silberstein), aber grade gerissen genug, um die alten Pfründe heimtückisch abzusichern. 

Und Pamela Rendi-Wagner, deren Antreten ich mir so sehr gewünscht hatte und deren absolute Inspirationslosigkeit und Tollpatschigkeit mich nach wie vor verzweifeln lässt. 

Es ist schwer, sich all das einzugestehen. Und noch schwerer ist es, trotzdem kein Pharisäer zu sein/zu werden, wenn man beobachten muss, wie mit jeder neuen Enthüllung über die türkisen Durchstechereien die sektenartige Gebetsliga damit kämpft, ihr zerfleddertes Idol über Wasser zu halten. Selbst in meiner finstersten PRW-Depri kann es mir nicht so schlecht gehen, wie es einem von oben bis unten angeschissenen Kurz-Fan gehen muss. 

Und dann muss man als solcher auch noch die Nerven haben, die ständigen Personalwechsel in kurzer Taktung zu bejubeln...


Neulich habe ich in einem sehr eleganten Wiener Kaffeehaus eine ehemalige Lichtgestalt der ÖVP gesehen, die mangels anderer moralischer Instanzen auch jetzt noch vor Kameras und Mikrofone geladen wird. In einem beklagenswerten körperlichen Zustand. Und ich dachte mir: Meine Güte, wie schnell geht das mit der Hinfälligkeit und mit der potenziellen Irrelevanz. Und gerade dieser - wegen seiner potenziellen Liberalität in seiner Partei immer wieder Angefeindete - verkrampft sich jetzt zu Wortspenden, die sein Denkmal anknabbern. 


Es wäre so wichtig, regelmäßig Abstand zu sich selbst herzustellen. Und zu den Einflüsterern, deren Absichten nicht immer nur ehrenwert sind. 

Und sich selbst mit den Augen anderer zu betrachten. Das geht, ich weiß es. Das nennt man "zirkulär" in meiner Berufssprache und vermittelt oft wirklich krampflösende Erkenntnisse. 


A bissl was geht immer. Ein bissi Abstand zur eigenen Bockigkeit ist gesund und hält einen beweglich. Warat ein nützlicher Vorsatz für 2022. 

Nur für die Schwurbler werde ich mich auch im Neuen Jahr nicht erwärmen können. 

So viel Unterschied zwischen Gutheit und Blödheit muss ich mir selbst verordnen. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0