Es ist nicht vorbei.

2015 wurde ein gewisser Sebastian Kurz Mitglied der Bundesregierung. Als Staatssekretär, der er vorher war, ist man das streng genommen nicht.

Auch wenn man damals noch nicht wusste, 

welche Intriganz zum Sturz des amtierenden ÖVP-Parteiobmanns schon gesponnen wurde, so waren doch einige Zeichen der Obstruktion gut erkennbar.


So z.B. eine zwischen Mahrer und der (roten) Unterrichtsministerin fertig ausverhandelte Vereinbarung zur Schulreform, die auf Kurzens Geheiß von Mahrer wieder zurückgezogen werden musste. 

Eindeutig in seiner Substanz bereits an der Oberfläche glänzend sah man ein sehr geschicktes rhetorisches Talent mit der Gabe, die Dinge auf ein paar klare Ansagen zu verdichten und vor allem ein breitenwirksames Feindbild aufzubauen:

Die Faulen, die Arbeitslosen, die Schmarotzer, 

ganz besonders natürlich die Flüchtlinge und die Ausländer. 

Alles, was für den krähwinklerischen Kleingeist  außerhalb des Mittelmaßes positioniert werden konnte.

Ohne jede Angeberei: Wer ein bisschen gelernt hat, Mimik und Körpersprache zu beobachten, konnte von Anfang an zwei irritierende Beobachtungen machen.

Der absolut hohle Blick, hinter dem sich kein Schatten einer inneren Anteilnahme an dem zu erkennen gab, was aus dem maskenhaften Gesicht als Sprechblasen entwich.

Die unerträglich auftrainierte Gestik und gesamte Körperhaltung, die einen seltsamen Spannungsbogen zu den eiskalten Botschaften bildeten. Eine geradezu bücklingshaft devote Krümmung des Oberkörpers, wie man sie von Hofschranzen aus alten Monarchie-Filmen kennt. 


All diese Zeichen waren gut erkennbar. Auch ohne jahrelange Ausbildung dekodierbar. Einfach plakativ da. Und doch reichten sie aus, um einem darbenden und dürstenden (Partei-)Volk ausreichend Hoffnung zu geben, da wäre nun jemand da - endlich! - der wieder dafür sorgt, dass "wir" wieder "wer" sind und es den versifften Roten so richtig zeigen würde.

Nebenbei deponiert: Eine Motivlage, die auch typisch für faschistische Grundszenarien ist...


Das wirklich Erschreckende daran:

Fast alle "Edelfedern" der Nation (mit löblicher Ausnahme von Falter und Standard und als Person der unbeugsamen Anneliese Rohrer) traten zum braven Apportl-Bringen an und zeigten vor, wie tief man die Latte zwischen Adoranz und Blödheit noch legen kann. 

Diese unfassbar grausliche Entwürdigung jeglicher Standards und Traditionen blieb uns bis heute erhalten und sorgt dafür, dass professionelle Tiefflieger wie Frau Salomon es wagen dürfen, Kreisky und Kurz in einem Atemzug zu nennen, 

ohne augenblicklich von einer gelben Schwefelwolke verschlungen zu werden. 


Und eine große Schar früherer Schwanzwedler aus allen Schichten kaschiert ihre nicht bewältigbare Scham hinter dem Stolz auf das, was Kurz und Blümel nun beruflich zuwege gebracht haben. 

Nur, um ja nicht zugeben zu müssen, welchen Hütchenspielern sie auf den Leim gegangen sind. 


Ich bin - und das genieße ich gerade in Zeiten wie diesen sehr - nach wie vor regelmäßig im benachbarten Ausland zugange. Und ich hatte in den letzten Jahren große Mühe, das dort sehr unreflektierte Bild zu ertragen, das sich idol-süchtige Medien und Menschen von Kurz und Kumpanen gemacht hatten. Erst die unübersehbare Spur der Verwüstung hat manche ein bisschen nachdenklicher gestimmt.

Wenn nun behauptet wird, Kurz hätte dafür gesorgt, dass wir in Europa wieder "wer" geworden seien, dann ist das eine unpackbare Sauerei.

Kurz hat uns in einen Topf mit den Visegrad-Staaten geworfen, denen Rechtsstaatlichkeit und europäische Solidarität am Arsch vorbeigehen.


Ja, wir sind wieder wer: Auf keinen Fall die sülzigen Brückenbauer, auf die ohnehin niemand mehr Wert legt. Auf jeden Fall sind wir wieder die schlitzohrigen Rosstäuscher, denen man nicht den Rücken zudrehen kann, ohne fürchten zu müssen, von hinten filetiert zu werden. "Wir" halten unsere Zusagen nicht. So wie jüngst bei der afghanischen Wissenschafterin, die erst durch ein deutsches Visum aus der pakistanischen Klemme geholt wurde, in die sie von der österreichischen Außenpolitik gebracht worden war. 


Wir sind aus der Spur gesprungen.

Wir finden nicht zueinander. 

Weil die einen zu feig sind, ihre Fehler einzugestehen.

Weil die anderen - auch ich - immer weniger Lust haben, mit Verdrängungsakrobaten den Alltag zu teilen.

Und weil es nach wie vor keine mitreißende Alternative zu diesem elenden Fake gibt. 

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