Kurz

Ich bin nicht in Gefahr, manisch an einem Thema oder einem Menschen zu kleben und ich brauche auch keine chronischen Feindbilder.

Die aktuelle Grundaustattung an Arschlöchern ist mehr als ausreichend.


Und doch ist mir neulich wieder einmal der Ex-Kanzler eingefallen.

Ich schreibe mit Vorliebe und Vorsatz Ex-Kanzler, weil alleine die Bezeichnung Alt-Kanzler auf zwei Faktoren verweist, die ich im Falle von Sebastian Kurz im höchsten Maße unpassend erachte:

- Ein Alt-Kanzler ist jemand, der wenigstens EINE volle Legislaturperiode in Anstand und Würde durchgedient hat und dann sein Amt verlor. In diesem Sinn ist Wolfgang Schüssel ein Alt-Kanzler, Franz Vranitzky sowieso, sogar Faymann ist einer. Aber Gusenbauer ist keiner. Und Kurz schon gar nicht.

- Wer trotz eines historisch einmaligen Misstrauensvotums und des erzwungenen Rücktritts den ehemaligen Kanzler Kurz als "Alt-Kanzler" tituliert, zeigt allein durch diesen Sprachmodus eine nach wie vor nicht verarbeitete Nähe zu ihm und seinem System.


Sein System. Immer noch fruchtbar. Und furchtbar in seiner Hartnäckigkeit und Grausamkeit. (Ich verbiete mir ausdrücklich den Gebrauch des Wortes "Nachhaltigkeit", weil ich diese Bezeichnung nur für positive Stabilität reservieren möchte.)


Was war/ist das bloß für eine Person!

Frei von allen Skrupeln, frei von Ethik und Moral, frei von Schuldgefühlen, frei von Empathie, frei von Solidarität, frei von Loyalität mit jenen, die sich für ihn in den Kugelhagel stellten. Und vor allem: Frei von Scham.


Diese Schamlosigkeit ist es, die mich auch im Nachhinein gegen ihn aufbringt. Weil sie auf so unsagbare Art die Abwesenheit jeglichen moralischen Kompasses deutlich macht.

Der völlig unbekümmerte Umgang mit der Unwahrheit, das manische Camouflieren perönlicher Geneigtheiten, der mit höchster Professionalität gedrechselte Spin um seine Vaterschaft kurz vor der Absentierung auf einen anderen Kontinent. 

Die schreckliche Handhabung von Macht und Unbekümmertheit in der Bedrohung von Existenzen und Karrieren.


Nein - das ist keine Re-Traumatisierung eines paranoiden Eiferers, für den man mich nun fälschlich halten könnte.

Das ist ein Warnruf.

Es ist nicht vorbei.

Die Ethik, die Moral, das, was man früher Anstand nannte, die Selbstverständlichkeit im Zurückschrecken vor der Sauerei, die Menschlichkeit, der Schutz der Schwachen und die Förderung der wahrhaft Bedürftigen - all das haben Kurz und Komplizen mit Putz und Stiel ausgerottet in ihrer durch und durch verrotteten Glaubensgemeinschaft.

Und wir müssen wachsam bleiben gegenüber den Schalmeienspielern und den Kreidefressern. Sie sind nicht geläutert. Sie sind bloß ertappt worden. Und sie werden es wieder tun. Nächstes Mal einfach mit mehr "Vorsicht", nicht wieder erwischt zu werden.

Und - fast schon mein "ceterum censeo":

Die Sozialdemokratie braucht eine Reform an Haupt und Gliedern. An HAUPT und Gliedern. Schnell. 


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