Zeitumstellung.

In der Nacht von heute auf morgen drehen wir wieder einmal die Uhren um 1 Stunde nach vor. Und ich habe das Gefühl, wir leben grade in einer Phase, wo die Uhren um Jahrzehnte zurückgedreht werden. Oder die Zeiger sich kreuz und quer drehen und einem der Kopf weh tut bei diesem seltsamen Ringelspiel.


Nach längerer Schreibpause speichere ich wieder einmal ein paar Gedanken aus. Frühjahrsputz sozusagen. 


In Sachen Pandemie wollen mir nach wie vor ein paar querliegende Entwicklungen nicht einleuchten. Bei Omikron hilft die Impfung nur sehr bedingt gegen eine Ansteckung. Aber sie schützt vor der Intensiv-Station oder dem Tod. Neueste Zahlen: Von 100 Covid-PatientInnen auf der Intensiv-Station sind 98 ungeimpft...

Mir genügen solche Erkenntnisse, um weiterhin ein dankbarer Freund des Impfens zu sein. 

Und ich verstehe nicht, was am Testen so schlecht sein soll.

Ich brauche beruflich bedingt regelmäßiges Testen und verlange auch von meinen KlientInnen einen aktuellen PCR-Test, wenn wir uns in 3D treffen wollen. Noch nie hat sich jemand dagegen beschwert.

Wenn nun die Gratis-PCR-Tests auf 5 (!) im Monat reduziert werden, sind sie zum Erreichen gegenseitiger Sicherheit definitiv zu wenig und kosten trotzdem eine Menge, weil die economy of scale wegfällt. Es ist halt wieder einmal das übliche Revanche-Foul des Bundes gegen das "rote" Wien und das hängt mir schon zum Hals heraus. Bei meinen Deutschland-Besuchen werde ich jedenfalls um das Wiener Gurgeln beneidet - um die Bundesregierung eher nicht.

So bin ich halt jeden Tag dankbar, dass mich der Virus noch nicht erwischt hat. An der Sorgsamkeit und dem Verantwortungsgefühl der Regierenden liegt es jedenfalls nicht.


Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer - dachte ich mir beim hochgejazzten ZiB2-Interview von PRW, bei dem sie endlich einmal in den Angriff gefunden hatte. Man möchte ihr wirklich die Goldene Tapferkeitsmedaille mit Diamanten überreichen, wenn man Tapferkeit als das ausdauernde Ertragen schwieriger Umstände versteht. So ein vor sich hinsudernder Sozialdemokrat wie ich tät sich halt eine Oppositionsführerin wünschen, die die Regierung mit sprühenden Ideen vor sich her treibt. Ideen, die in ein großes übergeordnetes Konzept münden. Nun ja, irgendwie gibt es ja beides nicht. Und so bleibt der lieben PRW nix anderes übrig, als am Ufer des Flusses zu sitzen und zu warten, bis die Wasserleichen ihrer Konkurrenten vorbeischwimmen, die sie nicht einmal selbst reingeschupst hat, sondern die aus eigener Ungeschicklichkeit reingefallen sind. Und trotzdem wage ich eine risikolose Prognose:

Wenn die türkise Propagandamaschine in einem Wahlkampf angeworfen wird, gewinnt selbst ein einbeiniger Nehammer mit verbundenen Augen gegen eine Pam, deren Berater wieder nicht aus dem Koma finden, in dem sie seit Jahren pennen. 


Als ich noch in der Volksschule war, da haben wir den Nationalfeiertag noch "Tag der Fahne" genannt. Und unsere Lehrerin hat uns ganz pathetisch erklärt: "Wir werden in Österreich nie wieder Krieg haben. Weil wir sind neutral!"

Ich fürchte, auf diesem Level befindet sich ein Großteil der österreichischen Bevölkerung auch heute noch. Auch wenn es in der Geschichte der großen Kriege, die im 20. Jahrhundert auf europäischem Boden begannen, für die meisten neutralen Staaten völlig wertlos war, dass sie neutral waren. Grade die Schweiz hat sich traditionell raushalten können, was wohl ohne weitere Erläuterungen am Bankwesen lag und an der Notwendigkeit, dass die Kriegführenden sich irgendwo unter weißer Flagge treffen konnten. Das würde wohl auch bei aktuellen und zukünftigen Waffen-Konflikten genügen. 

Während meines Studiums hatten wir ein sehr spannendes Seminar zum Thema "Wer schützt uns vor unseren Freunden?", weil es damals - und sicher auch heute noch - ein durchaus realistisches Szenario war, dass die NATO über uns drüberbrettert, wenn es die Lage erfordert.

So vieles dreht und wendet sich in meinen Gedanken.

Vielleicht laboriere ich an einer seltsamen Form des Johannes-Triebs, wenn ich mir ernsthaft vorstellen kann, das Land, das ich liebe, gegen einen bewaffneten Eindringling zu verteidigen.

Was ich brauche, ist eine Panzerfaust und meine Betablocker.

Das eine, weil ich seit dem Bundesheer damit umgehen kann. Das andere, damit mir die Pumpe vor lauter Angst nicht durchbrennt.

Es kotzt mich so an, wenn die Hauptabteilung Hobby-Generalstab auf den gut gepolsterten Fauteuils davon schwadroniert, dass es ja immerhin zwei kriegführende Länder - die Ukraine und Russland - gäbe und da müssten halt dann schon beide von ihren Idealpositionen abweichen. Wie bitte? Wer als erster schießt, hat unrecht und wer das gewesen ist, ist doch wohl wirklich eindeutig.

Da ist mir JEDE Version der Vorgeschichte von Herzen wurscht.

Wer als erster schießt, hat unrecht und muss auch erster wieder aufhören. So eine Einsicht müsste man halt durchsetzen können...


Und jetzt sind "unsere" Parkgaragen mit den SUVs der ukrainischen Flüchtlinge voll und "unsere" SUVs finden gar keinen Platz mehr.

So dreht sich halt jetzt der schon gewohnte Rassismus gegen Flüchtlinge, deren Haut um 2 Grade dunkler ist, als unsere und deren Religion halt muslimisch ist, als Neid gegen den Reichtum jener Flüchtlinge, die "wir" doch als Nachbarn einstuften, weil ihre Haut so weiß ist, wie "unsere" und ihre Religion christlich.

War ja zu erwarten, dass das goldene Oesi-Herz sich auch jetzt als Trompetenblech herausstellt.

Und natürlich blühen in den SM (ursprünglich "social media", in Wahrheit aber "sadistic media") auch schon die Fragen, was denn nun für "unsere" Armen getan wird, weil die Ukrainer haben doch eh ihre Autos dabei und können so gut Englisch. Wenn mir nicht eh vor Ostern noch die Gallenblase entfernt würde, wäre es grade die richtige Zeit, vor Zorn grün anzulaufen.


Und wenn ich schon dabei bin, dann hab ich noch ein paar Worte für die "Wokeness". Ich habe eine zunehmende Zahl von KlientInnen, die sich nicht einmal mehr eine handfeste Ich-Botschaft zu sagen trauen, weil sie fürchten, durch die Beschreibung ihrer eigenen Gefühle das zarte andere Ich zu beleidigen. Mit so einer übersensibilisierten Sorge um das Wohl des anderen Menschen komme ich einfach nicht zurecht. Die Ich-Botschaft stammt aus der "Gewaltfreien Kommunikation". Wie gewaltfrei soll es denn noch werden?

Ich sehe Personen in woken Teams, die sich nicht mehr trauen zu sagen, was sie grade denken, weil sie unter so strenger Beobachtung der Team-KollegInnen stehen, dass sie bei einer Wortmeldung nur noch ängstlich herumschauen, um nur ja nirgends anzuecken. 

Ich empfinde das im höchsten Maße beängstigend und so weit über das berechtigte Ziel hinausschießend, dass ich mich des Eindrucks der Einschüchterung nicht erwehren kann.

Wenn das berechtigte Ansinnen der Gewaltfreiheit und der Wertschätzung in Formulierungs-Terror ausartet, geht der Schuss nach hinten los. Und während es heiße Debatten über die jeder Grammatik hohnsprechende Genderisierung von Begriffen hagelt, drehen uns die Faschisten die Demokratie ab. Und lachen sich krumm, worüber sich die VerfechterInnen der Demokratie grade die Köpfe einschlagen, währdend ein neuerlicher Anschlag auf die Grundrechte und die freien Medien stattfindet. 


Nun denn, hättma des auch besprochen.

Am Montag geh ich zum Arzt und hol mir ein Beta-Blocker-Rezept.

Wo ich die Panzerfaust herkriege, weiß ich noch nicht.

Ist ja auch noch ein bissi Zeit...

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