Es ist meistens problematisch, sich wichtig zu machen, wenn anderswo etwas passiert, das man nicht beeinflussen kann.
Was sich in diesen Tagen in den USA abspielt, erinnert so beklemmend an Buch und Serie "Handmaid's Tale", dass einem der Atem wegbleiben kann.
Ein erzreaktionärer Klüngel von Männern macht sich über ein Frauenrecht her und diktiert mittelalterliche Gesetze, die Leben gefährden, statt vorgeblich Leben zu retten.
Das rüttelt sehr an meiner tiefsitzenden Sympathie für die USA und an den wunderbaren Erlebnissen, die ich mit Menschen, die dort leben, hatte.
Was mich aber am meisten beunruhigt, ist das historische Beispiel des Hergangs, der zu diesem furchtbaren Rückschritt in der juristischen und gesellschaftlichen Entwicklung geführt hat.
Denn von diesem Beispiel müssen alle liberalen und aufgeklärten Menschen in unserer Gegend lernen.
Wenn man dem reaktionären Bodensatz lange genug Zeit und Gelegenheit gibt, sich ungehindert auszubreiten, schlägt er zu.
Ganz besonders dann, wenn es parallel institutionelle Weichenstellungen gibt, die mittel- bis langfristig nicht revidiert werden können.
Wie z.B. Besetzungen von obersten Justiz-Organen, wesentlichen Kontrollfunktionen, die auf lange Sicht bei bestimmten Personen und/oder Parteien bleiben, Beiräten und Aufsichtsräten, die langsam aber sicher ihre erodierende Arbeit verrichten.
Und dann kommen die Novellen und Anpassungen,
die Ergänzungen und Sideletter, die Zusatzartikel und Spezifizierungen. Dort und da. Einmal mehr, einmal weniger. Und irgendwann - meist früher, als später - gibt es dann eine gegängelte Presse, willfährig besetzte Gremien, steuerbare Personen, durchgetaktete Abläufe.
Und dann setzt sich das Räderwerk nach rückwärts in Bewegung. Langsam, aber auch ruckartig.
Und die Heimtücke besteht dann darin, diese Rückschritte als Fortschritte zu positionieren und auch feiern zu lassen. Von den Willfährigen. Von den Profiteuren. Von den Betroffenen, die anfangs gar nicht merken, dass sie Opfer sind.
Wir haben hier manches nicht, was die USA in ihrem Wesen ausmacht. Bei uns sind keine Puritaner gelandet, die wegen ihrer Engstirnigkeit aus ihren Ländern auswandern mussten.
Bei uns sind diese Engstirnigen nie ausgewandert.
Wir haben das innere Krähwinkel in uns.
Den bösartigen Biedermeier. Den Kleingeist und die Mieselsucht. Die kleinen Faschisten, die in uns wohnen und nur darauf warten, wachgeküsst zu werden.
Und dann geht es auch hier los.
Naserümpfen ist nicht statthaft.
Visegrad ist nicht weit.
Und ihre österreichischen Ableger auch nicht.
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