Während des Studiums hab ich mich an Habermas abgearbeitet und in all der Mühe ist zum Glück ein bissi was hängen geblieben. Trotzdem hab ich jetzt zur Vorsicht "Diskurs" gegoogelt und die folgenden ganz brauchbaren Zeilen gefunden:
Jürgen Habermas sah als Vertreter einer linguistischen Wende in der Philosophie die Sprachfähigkeit als das entscheidende Kennzeichen des Menschen.
Er entwickelte in diesem Zusammenhang in Zusammenarbeit mit Karl-Otto Apel eine Diskursethik. Diskurs ist bei ihm der „Schauplatz kommunikativer Rationalität“.
In diesem Sinn ist Diskurs ein argumentativer Dialog,
in dem über die Wahrheit von Behauptungen und die Legitimität von Normen gesprochen wird. Was jeweils als vernünftig gilt, ist die intersubjektive, von allen Teilnehmern einer Gemeinschaft anerkannte Wahrheit.
Nun bin ich ziemlich sicher, dass meine Bauch-Vermutung, dass der Diskurs tot ist, stimmt.
Was wir schon eine ziemlich lange Zeit nicht mehr haben, ist eben der "Schauplatz kommunikativer Rationalität". Wir führen längst keinen Dialog über die Wahrheit von Behauptungen mehr. Und was uns vollkommen abhanden gekommen ist, ist die intersubjektive, von allen Teilnhmern einer Gesellschaft anerkannte Wahrheit.
Wir können uns nicht einmal mehr darauf einigen, dass das Tragen einer Maske (in einem Szenario OHNE Maskenzwang!) eine subjektive Entscheidung ist, die man der Person, die sie trifft, einfach selbstverständlich zugesteht.
Dass wir beim Thema Impfen sowieso schon von Anfang an keinen Konsens finden konnten, ist eh schon bis zur Erschöpfung durchlitten.
Dass im Zuge des Austausches von These und Antithese eine Synthese entstehen könnte, glauben nur noch ein paar unverbesserliche Optimisten, von denen immer noch einer ich selbst bin.
Was bleibt mir auch anderes übrig?
Ein Teil meines Lebensunterhalts besteht in der Abhaltung von Konflikt-Management-Seminaren und ich will aufgrund meines Menschenbilds einfach nicht davon abrücken, dass am Ende eines Konflikts, NICHT Sieg oder Niederlage stehen soll.
Frederick Willem de Klerk, der gemeinsam mit Nelson Mandela 1993 den Friedennobelpreis für die Beendigung des südafrikanischen Apartheid-Regimes erhielt, sagte zum 25-Jahr-Jubiläum:
"Am Anfang stand bei uns die Einsicht, dass es
keinen Sieger geben wird. Und dass es von beiden Konflikt-Parteien Initiativen geben muss, um Voraussetzungen für ernsthafte
Verhandlungen zu schaffen.“
Wie weit wir als Gesellschaft von dieser Einsicht entfernt sind, lässt sich in allgemein akzeptierten Messeinheiten gar nicht mehr abbilden.
Und dass wir uns in einem Modus befinden, in dem wir uns entweder gewollt oder sogar unbewusst (noch schlimmer, als absichtlich!) schnurstracks in einen zutiefst illiberalen Status bewegen, ist aus meiner Sicht eine der schlimmsten Gefahren, die uns drohen.
Zugleich eine meiner grausamsten Ängste und Enttäuschungen.
Das ist kein Relativieren des Mordens und Schlachtens wenige Autostunden von uns entfernt.
Ganz im Gegenteil.
Unsere - auch zu diesem Thema eklatante - Unfähigkeit, zu einer akkordierten Sicht der Dinge zu finden, liefert uns genau den Zuständen aus, die wir anderswo sehen und bei uns nicht haben wollen.
Ohne die eigene Verantwortung auszublenden - das kann ich mir ohnehin ohne Verlust der Selbstachtung nicht antun - bleibt doch der Aufschrei an die zuständigen obersten politischen Verantwortlichen in unserem Land: Reissts Euch endlich zsamm!
Beschmutzt nicht mehr alles, was uns lieb und wert sein sollte, mit Eurer Ignoranz. Praktiziert die Grundlagen Eures Handwerks mit jenem Minimum an Professionalität, das die Demokratie verdient.
Denn sonst ist nicht nur der Diskurs tot, sondern das ganze System.
Und wenn Ihr das System nicht mehr wollt, dann habt wenigstens die Schneid, und steht dazu.
Dann können wir auch darüber abstimmen.
Alles andere ist mittlerweile absolut inakzeptabel.
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