Ich soll...

Ich soll also jemanden (wieder) wählen, der in den letzten zwei Jahren auf eine unübersehbar ungute Art taktiert hat, damit er ohne Gegenkandidaten einer der demokratisch orientierten Parteien antreten kann.

Ich soll jemanden wählen, der ganz lange geschwiegen hat zu den unerträglich übelriechenden Machinationen der Regierenden.

Ich soll jemanden wählen, der jemand zum Minister gemacht hat, der seine Freude daran hat, ein Museum für DEN austrofaschistischen Mörder von Demokratie und Arbeitern zu betreiben und der genau diesen seltsamen Minister erst nach einer Ewigkeit zum Rapport bestellt hat, in der dieser Minister sich weigerte, die Richtigkeit oberstgerichtlicher Entscheidungen zu akzeptieren.

Ich soll jemanden wählen, der tatsächlich einen Tsunami an Krisen erleben und bewältigen musste und das wahrscheinlich besser gemacht hat, 

als viele andere.

Ich soll jemanden wählen, der seine ProponentInnen ausschickt, die auf geradezu peinlich inszenierte Art Plattitüden verbreiten und meinen Intellekt beleidigen.

Ich soll es mit meinem historischen und politikwissenschaftlichen Gewissen vereinbaren, wenn allen Ernstes behauptet wird, dass der Amtsinhaber zu den zwei bedeutendsten Präsidenten des Landes gehört (der andere wäre Renner), obwohl es da auch Persönlichkeiten wie Schärf gab, der zum Staatsvertragsteam gehörte oder Kirchschläger, der schon als Botschafter Proben seines Muts und seines Charakters ablegte.

Ich soll jemanden wählen, der allen Ernstes behauptet, dass die wahre Unabhängigkeit erst in der zweiten Amtszeit gewährleistet ist, weil der Amtsinhaber dann nicht mehr auf eben diese zweite Amtszeit schielen muss. Und dass es deswegen klug wäre, jemanden zu wählen, der nach zwei Amtszeiten keinen Beruf mehr ausüben muss und somit niemandem in der Pflicht wäre.

Ich soll sowas ertragen, nachdem ich vor 6 Jahren mit Nazis gestritten hatte, Reaktionäre anagitierte und zynische Konservative aushalten musste - nur, damit dann ein solcher Tiefschlag stattfinden kann.

Ich soll es angemessen finden, dass der Amtsinhaber seinen einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten damit diskreditieren will, dass er diesem vorwirft, auf Staatskosten studiert zu haben und nun seine Expertise als Arzt nicht zur Verfügung zu stellen - obwohl das nachweislich nicht stimmt.

Ich soll nun also genau diesen Amtsinhaber wählen, weil die "Gefahr" besteht, dass der von ihm diskreditierte Arzt ihm so viele Stimmen abspenstig macht, dass dadurch wieder einmal ein Nazi-Arschloch in die Stichwahl kommt.

Ich soll die was-weiß-ich-wievielte Wahl in diesem seltsamen Land über mich ergehen lassen und wieder nur das kleinere Übel gut finden dürfen.

Ich weiß nicht, ob ich das alles soll.

Es sollte einfach nur möglichst bald vorbei sein.

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara Riedl (Donnerstag, 29 September 2022 12:04)

    Du sprichst mir aus der Seele!

  • #2

    ronzo (Donnerstag, 29 September 2022 18:06)

    Deshalb wählen vernünftige Linke, zu denen ich mich zähle, Wlazny.