Bundesheer-Wetter.

Grau. Nieselig. Eine feuchte Kühle, die durch alle Fasern kriecht und einen tief drinnen frösteln lässt. 

Die Straßen nass, obwohl es nicht regnet. 

Die Bäume verlieren ihre Blätter. Zuerst zögerlich, dann setzen die Herbstwinde ein und räumen resolut ab.

Die Blätter liegen am Boden und bilden rutschige Schlieren. 


So war das Wetter vor 46 Jahren, als ich zum Präsenzdienst in der Hillerkaserne in Linz/Ebelsberg einrückte. Als Wehrmann in der S-Kompanie. ("Schwere Jäger" - das Kompanielied, das wir beim Exerzieren gesungen haben, war das der 

"Kaiserjäger Nr.4") 


Seit dieser Zeit steigen pünktlich jedes Jahr im Herbst die Bilder und Gerüche aus diesen klammen Monaten bei mir auf.

Ich rieche das Fallobst auf dem Truppenübungsplatz in Treffling - die Äpfel und die Mostbirnen, die vor sich hin moderten und durch deren halbflüssige Maische wir durchrobben mussten. Bis die alten Uniformen von diesem Gatsch völlig durchtränkt waren und sich der säuerliche Geruch in unseren Poren festgesetzt hatte.

Jeder Versuch, sich vorsichtshalber diesem Effekt zu entziehen, war zum Scheitern verurteilt, auch das Bemühen, abends durch Schmutz-Vermeidung vielleicht doch rechtzeitig aus der Kaserne zu kommen, um die Liebste zu treffen, völlig abwegig, denn die Zimmer- und Putzkontrollen irgendeines zeitverpflichteten Zivilversagers, der nur in der Uniform eines Zugführers ein Minimum an Bedeutsamkeit generieren konnte, waren gnadenlos unberechenbar. 


Wir hatten so Turnschuhe von Semperit - grauer Stoff, schwarze Gummisohlen - und bei denen mussten wir die schwarze Gummisohle - abgewetzt von Generationen von Wehrmännern - mit schwarzer Schuhcreme einschmieren, damit sie einen schwarzen Anschein geben konnten. Beim ersten Schritt im Gatsch mit diesem völlig fehlgepflegten Schuhwerk klebten ganze Geröllhalden von Erdreich an den klebrigen Sohlen. 


Das Gewehr war das Sturmgewehr 58 (StG58). 

Die Zahl verriet das Baujahr - 1958. Es war also genauso alt, wie ich damals: 18 Jahre. 

Wir schliefen in 10-Bett-Zimmern in Stockbetten, im gesamten Kompaniegebäude gab es 1 Dusche mit Warmwasser und die hatte ein Korporal für sich abgesperrt. 

Der Vizeleutnant war ein schwerer Alkoholiker - offensichtlich eine unverzichtbare Voraussetzung, diesen sinnbefreiten Job zu ertragen - und hatte einen Schäferhund. Das war wichtig, denn als ich nach Grundausbildung und 6 Wochen Wachdienst in die Küche versetzt wurde, begann der Tauschhandel Urlaubsscheine gegen Fleischreste für den Hund schwunghafte Fahrt aufzunehmen. 


Die Deutschkenntnisse des damals durchwegs autochthonen Chargen-Personals ließen bei Grammatik, Vokabular und Syntax noch großes Verbesserungspotenzial offen. "Das StG58 ist ein Gasdrucklader. Da vorne ist das Loch, wo der Gasdruck hinaustut." 


Der Kompaniekommandant hätte in seiner Trostlosigkeit aus einem Roman von Joseph Roth stammen können. Man sah ihm die vor Jahren mühsam bestandene Matura an und die Verzweiflung, nach den 12 Jahren, zu denen er sich verpflichtet hatte, nie wieder im zivilen Leben Fuß fassen zu können. Er wünschte uns "einen schönen Herbst" und währenddessen sah man seine Mundwinkel zynisch zucken. 


Im inmitten des Kasernenhofs platzierten "Espresso" tat eine dralle Servierfrau ihren Dienst. Sie war mit einem Unteroffizier verheiratet und Jahre später stiegen mir Bilder von ihr in den Kopf, als Ostbahn-Kurti in seinem Song "Nochtschicht" beschrieb, wie es im "Espresso Rosi" nach Mitternacht zuging. 


Vor dem Kompaniegebäude standen Laubbäume.

Auf ihnen wohnten Regimenter von Tauben. Wenn sie zum Flug ansetzten, hinterließen sie Wolken von Federn. Ein Arsch von einem Unteroffozier (der "Offizier vom Tag") ließ mehrmals täglich den diensthabenden Korporal vom Tag (einen Grundwehrdiener) die Federn in einem Kübel aufsammeln. Hinweise auf die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens wurden mit Ausgangsentzug geahndet.


Was habe ich in den 8 Monaten Bundesheer gelernt?

Dass die Knödel durch sind, wenn sie im Kochkessel oben schwimmen (5 Monate Küchendienst mit lebenslangem Nutzen). 

Und dass das Bundesheer der einzige Ort ist, wo mit so gnadenloser Konsequenz der Blödere dem Gescheiteren einen Befehl geben kann. Tröstet manchmal. Manchmal.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0